Hallstatt-Forschung

Das Wildbachverbauungsprojekt - archäologische Baubegleitung

In Folge eines schweren Unwetters, das sich im Juni 2013 ereignet hatte und zu einem verheerenden Hochwasser führte, das weite Teile des Ortskerns verwüstete, werden seit 2014 alljährlich Sicherungsarbeiten im Gemeindegebiet von Hallstatt vorgenommen. Die teils sehr aufwändigen Präventionen werden von Spezialist*innen der Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich – Sektion West in enger Abstimmung mit den Archäolog*innen des NHM durchgeführt. Schließlich muss in dem seit Jahrtausenden besiedelten Gebiet stets mit dem Auftreten menschlicher Strukturen im Boden gerechnet werden.

Ansprechperson: Mag. Johann Rudorfer
 



So werden alle notwendigen Bodeneingriffe direkt von uns beobachtet oder, insbesondere das denkmalgeschützte Areal am Salzberg, durch selektive archäologische Sondierungsarbeiten untersucht. Basierend auf dem österreichischen Denkmalschutzgesetz werden die von uns durchgeführten Arbeiten voll durch die ausführende Baufirma finanziert. Dadurch erschließt sich für uns die Gelegenheit, auch in teils schwer zugänglichen Gebieten Einblicke in die menschliche Vergangenheit zu nehmen, die bislang nur wenig im Fokus der Forschungsarbeit in Hallstatt stand. So können, neben Arealen am weitgehend unter Bodendenkmalschutz stehenden Salzberg, auch große Flächen im Tal untersucht werden.
 
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Aus der jahrzehntelangen archäologischen Tätigkeit des NHM ist bekannt, dass sich die Menschen in diesem geologisch sehr instabilen Gebiet, seit dem Beginn ihrer Siedlungstätigkeit vor gut 7000 Jahren, fortwehrend gegen die Widrigkeiten ihrer Umwelt behaupten mussten. Sowohl ober- als auch untertage sind Naturereignisse fassbar, welche die Alltags- und Arbeitswelt der prähistorischen Bewohner*innen Hallstatts stark in Mitleidenschaft gezogen haben. Zum Teil trugen diese auch zu den sehr guten Erhaltungsbedingungen für organische Funde bei, die eine ganz bedeutende Besonderheit des Fundortes Hallstatt darstellen. 
 
So konnte im Zuge der Bachregulierungsarbeiten ein Teil eines hallstattzeitlichen Schindeldachs freigelegt und dokumentiert werden, das sich, luftdicht eingepackt in dichtem Lehm, über 2500 Jahre erhalten hat. Dieses ist wohl durch eine Hangrutschung an seinen Fundort vertragen worden und könnte Teil der am Salzberg vermuteten Siedlung, nordwestlich des Gräberfeldes, gewesen sein. Zwar sind Dachschindeln in Österreich seit der Bronzezeit nachgewiesen, bei den in Hallstatt freigelegten handelt es sich jedoch um den ältesten geschlossenen Befund einer derartigen Dachkonstruktion.
 
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Ebenfalls als Teil der Siedlung, jedoch der spätbronzezeitlichen, kann eine mit hunderten Keramikscherben und tausenden verbrannten Knochensplittern verfüllte Grube angesehen werden, die im Zuge der Errichtung eines Steinschlagschutznetzes von uns aufgedeckt wurde. In dem sorgfältig untersuchten Erdmaterial, in dem die Funde abgelagert haben, ließen sich zudem botanische Rückstände in Form von Getreidekörnern feststellen. Wurde in dieser Grube womöglich Küchenabfall entsorgt?
 
 
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Da weite Teile des Hochtals durch den Friedhof der Eisenzeit belegt sind, ist es nicht verwunderlich, dass bei der Errichtung einer erforderlichen Zufahrtsstraße auch die Überreste hallstattzeitlicher Gräber zu Tage traten. Aus einem dieser Gräber stammt ein aus 13 Gefäßen bestehendes Keramikensemble, das durch teils wunderschöne Ornamente und seinen guten Erhaltungszustand hervorsticht. Aus einem direkt angrenzenden Brandgrab konnten eine vierblättrige Spiralfibel und zwei Ringe aus Bronze geborgen werden.

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Bei den Bauarbeiten im Ortskern konnten im Boden vorrangig bereits historisch überlieferte  Ereignisse, wie der Großbrand von 1750, in dessen Zuge fast der komplette Ort zerstört wurde, erfasst werden. Die bislang nur sporadisch nachweisbaren prähistorischen Siedlungsspuren im Tal weisen auf deren großflächige Zerstörung durch die mittelalterliche und neuzeitliche Bebauung hin. Umso wichtiger erscheint somit die gegenwärtige archäologische Baubeobachtung.
 
So schließt sich ein geschichtlicher Kreis: Die notwendigen Schutzmaßnahmen sollen die heutige Bevölkerung vor umweltbedingten Katastrophenereignissen bewahren. Die Archäolog*innen des NHM tragen dazu bei, indem sie menschliche Hinterlassenschaften fachgerecht versorgen und somit bedeutendes Kulturgut vor der unsachgemäßen Zerstörung schützt. Katastrophen- und Denkmalschutz gehen hier Hand in Hand.
  
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