Der ordnende Blick. Eine geschichtliche Spurensuche

seit 24. April 2023
Der neue Geschichtspfad durch das NHM Wien.
Seit seiner Gründung ist es ein Auftrag des Naturhistorischen Museums Wien, die Ordnung der Natur sichtbar zu machen. Seine Sammlungen eröffnen seit über 270 Jahren immer neue Blickwinkel auf Natur- und Kulturgeschichte. Die Schausäle und ihre Ausstattung sind Spiegel der Veränderung unseres ordnenden Blickes auf die Natur. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung im Jahr 1889 war das Naturhistorische Museum in Wien das erste konsequente „Evolutionsmuseum“ Europas. Zu verdanken war dies dem ersten Direktor des Hauses, Ferdinand von Hochstetter (1829–1884), der selbst ein bekennender Anhänger Darwins der ersten Stunde war.

Ordnung und Anschauung sind die beiden Grundprinzipien, auf denen das NHM Wien fußt. Das wissenschaftliche Ordnen ist dabei der Schlüssel für den Wissensgewinn aus den Sammlungen – und selbst einem historischen Wandel unterworfen. Davon legen die Sammlungen des Museums ein eindrucksvolles Zeugnis ab. Im Schaubereich sollte das gewonnene Wissen schließlich in systematischer Form zur Anschauung gelangen: über ausgewählte Objekte, aber auch über das genau durchdachte Bildprogramm der Saaldekorationen.

Einen Blick auf die Gründungsgeschichte des Museums gestattet beispielsweise das sogenannte Kaiserbild im Prunkstiegenhaus. Es zeigt Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, den Ehemann Maria Theresias, im Kreis seiner Gelehrten. Um 1750 kaufte Franz Stephan die damals größte private Naturaliensammlung an und ließ sie in der Wiener Hofburg aufstellen. Diese Sammlung umfasste ca. 30.000 Mineralien, Gesteine, Fossilien, Schnecken sowie Korallen und war bereits nach wissenschaftlichen Kriterien geordnet. Nach dem Tod ihres Mannes 1765 übertrug Maria Theresia die Naturaliensammlungen ins Staatseigentum und machte sie zugleich der Öffentlichkeit zugänglich. Bereits dieses erste „Museum“ sollte neben Forschungszwecken auch der Bildung des Volkes dienen.
Ebenso wie die Prinzipien der Ordnung haben sich auch die Methoden der Veranschaulichung im Laufe der Geschichte verändert und verfeinert. Das Spektrum reicht heute von Präparaten, Modellen, Dioramen und Bildern bis hin zu digitalen 3D-Modellen, „augmented reality“ und interaktiven Designs.

Der Geschichtspfad lädt ein, auf Entdeckungsreise durch das Museum zu gehen und den historischen Wandel von Ordnung und Anschauung zu erleben – von den Kunst- und Wunderkammern des 16. Jahrhunderts bis zum modernen Evolutionsmuseum des 21. Jahrhunderts. Als kostbares Archiv der biologischen Artenvielfalt, aber auch der Menschheits- und Kulturgeschichte hat das NHM Wien jedenfalls das Potential, brennende Fragen der Gegenwart und Zukunft wissenschaftlich zu behandeln und sichtbar zu machen.

Stationen
  • Des Kaisers Sammlungen (Kaiserbild, Stiegenhaus)
  • Die geheime Ordnung des Kosmos (Saal 4)
  • Von Kopernikus bis zu Impaktprozessen (Saal 5)
  • Vergangene Welten und Ungetüme (Saal 10)
  • Die Lebenswelt unserer Vorfahren (Saal 11)
  • Bild des Menschen – Menschenbild (Saal 14)
  • Systematische Ordnung und Evolution (Stiegenhaus)
  • Darwin – die Abstammung des Menschen (Fries in der oberen Kuppelhalle)
  • Aus Glas, Wachs und Kunststoff (Saal 22)
  • Vom Leben in der Vitrine (Saal 24)
  • Botschafter des Verschwindens (Saal 35)
  • Stille Zeugen oder: Die Kunst der Präparation (Saal 39)
  • Rückblicke (Kleines Stiegenhaus)
  • Ein Blick in die Zukunft (Deck 50)

Zwei Vitrinen zur Geschichte des Museums
(Stiegenaufgang zum 2. Stock)

Vitrine 1 – Über das Ordnen

Ordnen ist das Grundprinzip des Sammelns und Voraussetzung für die wissenschaftliche Durchdringung der Welt. Identifizieren, Unterscheiden, Vergleichen und In-Beziehung-Setzen sind nicht nur die Methoden unseres Denkens, sondern auch Ordnungsprinzipien musealer Sammlungen. Einige Objekte im Museum gehen bereits auf die Kunst- und Wunderkammern des 16. Jahrhunderts zurück. Ihre Ordnungsprinzipien unterscheiden sich grundlegend von unserem heutigen wissenschaftlichen Denken.
Naturwissenschaftliche und kulturhistorische Sammlungen wie jene des NHM Wien eröffnen durch den Fortschritt der Wissenschaft immer wieder neue Wege der Analyse und Erkenntnis. Naturmuseen sind zugleich kostbare Archive der Artenvielfalt und vermitteln die Evolution des Planeten Erde und des Lebens.

Vitrine 2 – Über die Anschauung

Als Bildungs- und Forschungseinrichtung hat sich das NHM Wien der Veranschaulichung von Wissenschaft verschrieben. Schon für die Kunst- und Wunderkammern des 16. Jahrhunderts gingen das Sammeln von Objekten und die Produktion von Bildern Hand in Hand. Unter dem Einfluss des schwedischen Naturforschers Carl von Linné (1707–1778) wurden ab dem 18. Jahrhundert nicht nur die Sammlungen, sondern auch Darstellungsmittel wie Farbe standardisiert.
Die Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts machten bis dahin unbekannte, als fremd empfundene Welten zugänglich – nicht nur durch Objekte, sondern ebenso durch Bilder. Auch die künstlerische Ausgestaltung des NHM Wien liegt in der „Seh-Sucht“ des 19. Jahrhunderts begründet.
Seit Eröffnung des Museums im Jahr 1889 sind die wissenschaftlichen Darstellungsmöglichkeiten rasant vorangeschritten. Heute gestatten moderne Technologien wie 3D-Visualisierungen im Mikrobereich faszinierende Einblicke in Zusammenhänge und Details.


  
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