Seile & Co: Binde- und Zugmaterialien im Bergwerk

Baumbast, Gras, Stroh, junge Äste, Waldrebe, Fell und Leder wurden im bronzezeitlichen Bergwerk als Binde- und Zugmaterialien eingesetzt. Im Christian von Tuschwerk hat sich ein Seil aus Lindenbast erhalten, das in seiner Gesamtlänge noch immer nicht vollständig erfasst werden konnte. Das Seil verfügt über eine errechnete Bruchlast von über einer Tonne.

Binde- und Zugmaterialien im Bergwerk
Das Seil aus Lindenbaststreifen im Christian von Tuschwerk
Funktion des Seiles aus dem Christian von Tuschwerk
 

Binde- und Zugmaterialien im Bergwerk

Ein Bergbaubetrieb kann ohne Binde- und Zugmaterialien nicht funktionieren. Manila, Sisal oder Synthetik standen den bronzezeitlichen Bergleuten freilich noch nicht zur Verfügung, doch etliche andere Materialien wie Baumbast, Gras, Stroh, junge Äste, Waldrebe, Fell und Leder sehr wohl. Im bronzezeitlichen Betriebsabfall haben sich dementsprechend viele Reste erhalten. Das gängige Bindematerial im Berg war Baumbast, aber auch Grasschnüre zählen zu den typischen Funden. Daneben wurden auch junge Zweige und Äste in Form von sogenannten Wieden verwendet. Fell und Lederriemen wurden hingegen nur selten verwendet. Die Reißfestigkeit von Bastseilen ist so hoch, dass Bast noch bis vor hundert Jahren zu den üblichen Ausgangsmaterialien für Seile zählte. Schnüre und Seile aus Bast wurden ähnlich wie Hanfseile geschlagen, jedoch nicht versponnen; vielmehr wurde jede Faser einzeln verlängert.
 

Das Seil aus Lindenbaststreifen im Christian von Tuschwerk

Das armdicke Bastseil aus dem Christian von Tuschwerk ist eines der beeindruckendsten Zeugnisse des bronzezeitlichen Seilerhandwerks. Das Seil verfügt über ein Eigengewicht von 1,5 kg pro Laufmeter, einen Durchmesser von 4 cm und eine errechnete Bruchlast von über einer Tonne. In Anbetracht dieses hohen Eigengewichts ist es wahrscheinlich, dass das Seil über eine Umlenkung wieder nach unten geführt wurde, da sich auf diese Art das Seilgewicht aufhebt. Bast war das wichtigste Bindematerial im bronzezeitlichen Bergwerk. Bast ist die Schicht zwischen Holz und Borke. Nur die Bastfasern weniger Baumarten sind als Bindematerial verwendbar. Neben der Linde zählen hierzu auch Ulme und Eiche. Ulmenbast lässt sich im Frühling mühelos „ernten“. Um hingegen Lindenbast von der Rinde abziehen zu können, muss diese über einen längeren Zeitraum gewässert werden.
 

Funktion des Seiles aus dem Christian von Tuschwerk

Aufgrund von praktischen Versuchen wurde eine Bruchlast für das Bastseil aus dem Christian von Tuschwerk von über einer Tonne errechnet. Damit war es für den Transport von Salz an die Oberfläche deutlich überdimensioniert. Wozu wurde ein Seil mit einer derartigen Bruchlast benötigt? Zum Transport von Rüstholz in die Grube. Hierbei muss es sich teilweise um sehr große Lasten gehandelt haben. Denn immer wieder werden im Zuge der Ausgrabungen Stämme von mehreren Metern Länge und Durchmessern bis zu 30 cm entdeckt. Wobei zu bedenken ist, dass dieses Holz grün (frisch) in die Grube transportiert werden musste, wo es dann fertig angepasst wurde. Grünes Holz ist deutlich schwerer als trockenes, abgelagertes Holz. Doch die Bearbeitung von abgelagertem Holz ist mit Bronzebeilen nahezu unmöglich. Auch die zahlreichen Funde junger, gegeneinander verdrehter Äste – sogenannte Wieden – stehen im Zusammenhang mit dem Transport von Grubenholz. Als Zugschlaufen befestigte man sie an schweren Hölzern, die bewegt werden mussten. Wieden sind von außerordentlicher Reißfestigkeit und wurden bis in historische Zeit unter anderem in der Flößerei eingesetzt.


: Bei diesem Lindenbastseil aus dem Christian von Tuschwerk handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Förderseil im bronzezeitlichen Schacht. (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
Bei diesem Lindenbastseil aus dem Christian von Tuschwerk handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Förderseil im bronzezeitlichen Schacht. (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
: Im prähistorischen Bergbau wurden als Bindematerial neben Bastschnüren auch junge Zweige und Äste in Form von sogenannten Wieden verwendet. (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
Im prähistorischen Bergbau wurden als Bindematerial neben Bastschnüren auch junge Zweige und Äste in Form von sogenannten Wieden verwendet. (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
: Bast war das wichtigste Bindematerial im bronzezeitlichen Bergwerk: Dünne Bastschnur, Baststreifen mit Knoten, Gras- und Strohschnur (v. links). (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
Bast war das wichtigste Bindematerial im bronzezeitlichen Bergwerk: Dünne Bastschnur, Baststreifen mit Knoten, Gras- und Strohschnur (v. links). (Foto: A. W. Rausch - NHM Wien)
  
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