Österreichische BiodiversitätsforscherInnen tagen in Linz

04. November 2015
Zum zweiten Mal tagen Österreichs Biodiversitätsforscherinnen und -forscher im Rahmen des ABOL-Wissenschaftsprojektes (Austrian Barcode of Life)  − diesmal im Schlossmuseum Linz.

Das Projekt ABOL hat sich zum Ziel gesetzt, die genetische Vielfalt aller Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Österreichs zu erfassen und die erhobenen Daten öffentlich zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann ABOL wesentlich dazu beitragen, dass Österreich seinen internationalen Verpflichtungen gerecht wird, was Erhebung und Schutz der Biodiversität anbelangt.
 
Österreichs Biodiversitätsszene gibt sich am 5. und 6. November 2015 in Linz ein Stelldichein. Biodiversitätsforscherinnen und -forscher, Laien und Experten, Studierende und Lehrende, Vertreter wissenschaftlicher Institutionen, von Museen, Vereinen und Umweltbüros tauschen sich über die Ergebnisse im ersten Jahr der Projekts ABOL (Austrian Barcode of Life) aus. ABOL versteht sich als österreichisches Netzwerk mit einem klar definierten Ziel: DNA-Barcodes aller Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Österreichs zu erfassen und die erhobenen Daten öffentlich zur Verfügung zu stellen. Doch ABOL ist mehr. Mit dieser Initiative formieren sich Österreichs Biodiversitätsforscherinnen – und forscher und setzen ein starkes Signal, welchen Stellenwert taxonomische Forschung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt hat.
 
Themen und Highlights der ABOL-Tagung in Linz
Nicht nur über erste Erfolge, über die Zahlen der bisher analysierten und erfassten Arten sowie über die Erarbeitung von Methoden und Problemlösungen wird berichtet werden. Überraschend und spektakulär für die Öffentlichkeit sind die Entdeckungen einer neuen Fischart in der Mur und eines der Wissenschaft bisher unbekannten Urinsekts. Die Exklusivität dieser Tiere wurde durch die Methode des DNA-Barcodings bestätigt. Solche herausragenden Entdeckungen sind in allen Organismengruppen zu erwarten, ebenso wie viele neue und spannende Forschungsansätze.
 
Viel wichtiger als die Neuentdeckungen ist aber, dass hier eine „genetische Referenzsammlung“ geschaffen wird. Anhand dieser Datenbasis wird es möglich sein, Reste von Organismen, aber auch Eier und Larven, die mit klassischen Methoden nicht bestimmbar wären, einer Art zuzuordnen. Als state-ot-the-art Methode für solche Fragestellungen wird DNA-Barcoding für viele Anwendungen vom Naturschutz bis zur Kriminalistik ein immer wichtigeres Instrument.
 
Ein Schwerpunkt der Tagung in Linz wird auf dem Terminus Sammlungen liegen, der für das ABOL-Projekt zentral ist. Wie sammelt man fachgerecht, was sind die rechtlichen Voraussetzungen, wie nutzt man Quellen wie z.B. die Linzer Literaturdatenbank ZoBoDat, wie hinterlegt man Material in wissenschaftlichen Sammlungen und wie verwendet man bestehende Objekte in musealen Sammlungen für DNA-Analysen.
 
Was ist DNA-Barcoding?
Arten unterscheiden sich in ihrem Erbgut, der DNA, diese ist daher artspezifisch. DNA-Barcoding ist die genetische Analyse eines spezifischen DNA-Abschnittes (des „DNA-Barcodes“), der als genetische Signatur für die untersuchte Art dient. Die DNA-Barcodes von zuverlässig bestimmten Referenzorganismen werden in einer Datenbank gespeichert und stehen dann der Wissenschaft und der Öffentlichkeit für Vergleiche zur Verfügung. Weltweit laufen zahlreiche Initiativen, die sich zum Ziel gesetzt haben, eine frei zugängliche Referenz-Datenbank von DNA-Barcodes zu erstellen. Deren Vernetzung wird die Biodiversitätsforschung und ihre Anwendungen revolutionieren. ABOL ist Teil dieses internationalen Netzwerks.
 
Mittels DNA-Barcoding wird die Artidentifizierung auch von kleinen Gewebeproben oder schwer zu bestimmenden Stadien wie Eiern und Larven schnell und sicher möglich. Die Fülle an erhobenen Daten zur biologischen Vielfalt kann zukünftig für vielfältige Zwecke genutzt werden, z.B. in Naturschutz, Forensik, Schädlingsbekämpfung oder Lebensmittelkontrolle. Wo die Methode an ihre Grenzen stößt, ist sie Funke und Zündstoff für spannende Forschungsfragen, die jede Menge neuer Erkenntnisse erwarten lassen.
 
 
Wie ist ABOL organisiert?
Die derzeit laufende Anstoßphase des Projekts (2014-2017) wird durch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gefördert. Sie dient vor allem der Planung und Vorbereitung des darauffolgenden Gesamtprojekts, das für mindestens zehn Jahre veranschlagt wird. Zusätzlich werden in der jetzigen Phase bereits vier Pilotprojekte durchgeführt, in denen DNA-Barcodes von österreichischen Wirbeltieren, Schmetterlingen, Mollusken und parasitischen Würmern erstellt werden. Daten zu weiteren Organismengruppen werden in assoziierten Projekten erhoben.
 
Die Anstoßphase wird von folgenden Institutionen federführend getragen: Naturhistorisches Museum Wien, Universität Graz, Tiroler Landesmuseen und Veterinärmedizinische Universität Wien. Zur ABOL-Community zählen jedoch über 170 Personen aus mehr als 40 Institutionen und Vereinen, darunter alle großen Universitäten. Auf ihre Mitarbeit und Expertise wird sich das Gesamtprojekt stützen.
 
Bedeutung biologischer Expertise und Sammlungen
Die Vielfalt in ihrer Gesamtheit zu erfassen, ist mehr denn je ein Gebot der Zeit. Denn effizient schützen kann man nur, was man auch einigermaßen kennt. Oberösterreich weist in Sachen Biodiversität eine beachtliche Expertise auf, so gibt es noch eine Reihe von taxonomisch und biosystematisch hervorragend ausgebildeten Fachleuten. Das Biologiezentrum des Oberösterreichischen Landesmuseums als Sammellinse dieser Expertise ist eines der größten naturkundlichen Museen in Österreich und besitzt beachtliche biologische Sammlungen. Doch auch die anderen Landesmuseen und ihre Experten spielen im ABOL-Netzwerk eine wesentliche Rolle. Das Erbe der Naturkundemuseen wird mit fortschreitender Methodik immer wertvoller und informativer. Biologisches Material aus Museumssammlungen, wie zum Beispiel getrocknete Pflanzen oder Insekten, können als Quelle für genetische Untersuchungen verwendet werden. Die „Metadaten“ der historischen und der neuen Objekte, (also das wo, wann, wie und von wem), beinhalten weitere wertvolle Informationen über das Vorkommen von Organismen in Zeit und Raum.
 
Biodiversität in die Enge getrieben
Österreich ist ein Land der (Arten-)Vielfalt, doch über einen großen Teil davon wissen wir noch sehr wenig. Vielfalt sowohl an Lebensräumen als auch an Tier und Pflanzenarten stellen in vielerlei Hinsicht einen Reichtum dar, z.B. in Form von Verfügbarkeit biologischer Ressourcen, der Stabilität von Ökosystemen, dem Erholungswert für den Menschen. Die Erhaltung der Biodiversität hat somit neben ideellen auch gewichtige materielle Beweggründe.
 
Weltweit ist die Biodiversität in einem dramatischen Rückgang begriffen. Die Ökosysteme in den Meeren und an Land werden mehr und mehr durch Veränderungen des Klimas sowie Zerstörung der Lebensräume beeinträchtigt. Das betrifft sowohl Naturlandschaften als auch nachhaltig genutzte Kulturlandschaften. Auch in Österreich, das aufgrund seiner besonderen geographischen Lage und Landschaftsstruktur ein Hotspot der biologischen Vielfalt in Europa ist, sind die Folgen derartiger Destruktionen und Destabilisierungen zu bemerken. In den Ebenen sind die Auswirkungen von Lebensraumzerstörung augenscheinlicher und schon länger sichtbar, aber auch in den Gebirgen werden die Folgen des Klimawandels, aber auch der rücksichtslosen Landnutzung, drastisch bemerkbar.
 
Die spannende Herausforderung, Vielfalt in ihrer Gesamtheit zu verstehen, zu nutzen und zu schützen, bedarf vielfältiger Herangehensweisen. Die Erhebung und Erforschung genetischer Vielfalt verknüpft mit anderen Forschungsfeldern (z.B. Ökologie, Systematik, Evolutionsforschung) eröffnet die volle Bandbreite der Biodiversitätsforschung.
 
 
http://www.abol.ac.at/
 
Blick in die Sammlung der Tausendfüßer des NHM Wien

© NHM Wien, Helmut Sattmann
  
Online-Tickets