Symposium am NHM Wien: 200 Jahre österreichische Brasilien-Expedition von 1817 bis 1835 – Relevant bis heute

02. November 2017
Zum Jubiläum der großen österreichischen Brasilien-Expedition veranstaltet das Naturhistorische Museum Wien am 6. November 2017 ein Symposium mit fünf Vorträgen und einer Filmpremiere.
Zum Jubiläum der großen österreichischen Brasilien-Expedition veranstaltet das Naturhistorische Museum Wien am 6. November 2017 ein Symposium mit fünf Vorträgen und einer Filmpremiere.
 
Im Jahr 1817 startete das größte je von Österreich durchgeführte Forschungsunternehmen in Amerika überhaupt, das bis 1835 andauerte. Seither befinden sich jene Kollektionen, die von den österreichischen Naturforschern der Brasilienexpedition stammen, in den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien und des kürzlich wiedereröffneten Weltmuseums. In der ganzen österreichischen Sammlungsgeschichte sollte nie wieder eine derartige Vielzahl und Vielfalt an Objekten von einer Expedition in österreichische Museen gelangen.
 
Kaiser Franz I. stattete aus Anlass der Verehelichung seiner Tochter Leopoldine mit Dom Pedro, dem späteren Kaiser von Brasilien, die Expedition in das tropische, damals nahezu unbekannte Land aus. Die sorgfältig durchgeführten Reisevorbereitungen waren seit 1816 im Gange, die Leitung des Unternehmens hatte Staatskanzler Fürst Clemens Wenzel von Metternich, der gute Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturwissenschaften hatte. Die wissenschaftliche Beratung und Organisation oblag dem Direktor des Naturaliencabinets (Vorläufer des heutigen NHM Wien), Karl von Schreibers. Insgesamt 14 Forscher und Maler nahmen an der Expedition teil.
Neben den Österreichern begleiteten der Zoologe Johann Baptist Ritter von Spix (1781-1826) sowie die Botaniker Carl Friedrich Philipp von Martius (1794-1868) und Giuseppe Raddi (1770-1828) die Forschungsreise.
 
Ironie des Schicksals ist, dass die Reise weltweit unter „Spix-und-Martius-Expedition“ bekannt ist, obwohl die beiden als „Gäste“ mitreisten. Den Forschern wurde weder ein finanzielles noch ein zeitliches Limit gesetzt, was einzigartig in der Expeditionsgeschichte ist. Am längsten, nämlich 18 Jahre lang, blieb der seit 1809 am Naturaliencabinet besoldete Tierpräparator und Zoologe Johann Natterer (1787-1843) in Brasilien (bis 1835). Als akademischer Landschaftsmaler begleitete unter anderem Thomas Ender (1793-1875) und als Expeditonsleiter der Professor für Naturgeschichte an der Universität Prag, Johann Christian Mikan (1769-1844), die Reise.
 
Bis heute bekannt sind auch der Botaniker und Gärtner Heinrich Wilhelm Schott (1794-1865) und der Mineraloge und Botaniker Emanuel Pohl (1782-1834), die neben Natterer große Sammlungen nach Wien sandten.
 
Direktor Karl von Schreibers arbeitete genaue Instruktionen für die Naturforscher aus. Alle Expeditionsteilnehmer unterstanden dem Botschafter in Rio de Janeiro, der auch für ihre Verpflegung zuständig war. Die Reisepläne sollten u.a. mit genauen Angaben von Ort, vorhergesehenen Routen und Dauer im Vorhinein erstellt werden. Tagebücher mit exakten Notizen zu Fundorten von Naturprodukten, deren einheimische Namen und Beobachtungen aller Art waren zu führen und ebenso wie das gesammelte Material in regelmäßigen Abständen nach Wien zu schicken. Besonders sollte auf die Tiere und Pflanzen geachtet werden, die möglicherweise in Europa kultiviert werden konnten. Die Reisenden sollten sich nicht zu lange an einem Ort aufhalten, denn es sollte ein Überblick über die Artenvielfalt gewonnen werden. Weiters erstellte Direktor Karl von Schreibers eine Liste spezieller Naturprodukte, die zu beschaffen wären, und listete die Wünsche bezüglich der wissenschaftlichen Beobachtung von Indigenen auf.
 
So gelangten über 150.000 Objekte in die Reichshauptstadt, wo 1821 dafür ein eigenes Brasilianisches Museum errichtet wurde. 1835 wurde das Museum geschlossen und die Objekte gelangten zum größten Teil an die Vereinigten Naturaliencabinete, dem Vorläufer des Naturhistorischen Museums Wien.
 
Bis heute sind diese Kollektionen für die Forschung relevant. Zu diesem Thema werden am 6. November 2017, dem 200. Hochzeitstag von Leopoldina, im Rahmen eines Symposiums öffentlich zugängliche Vorträge am NHM Wien abgehalten.
 
 
Programm des Symposiums am 6. November 2017 ab 15:00 Uhr:
 
15:00 Uhr
Begrüßung
Univ.-Prof. Dr. Christian Köberl, Generaldirektor des NHM Wien
S. E. Ricardo Neiva Tavares, Botschafter von Brasilien
 
15.15 Uhr
Die österreichische Brasilien-Expedition ab 1817
Prof. Mag. Dr. Christa Riedl-Dorn, Direktorin, Archiv für Wissenschaftsgeschichte, NHM Wien
 
15.45 Uhr
Habsburger Prinzessin Leopoldina und Bragança Prinz Pedro in Brasilien
Prof. Gloria Kaiser, Buchautorin
 
16.15 Uhr
Die botanischen Sammlungen aus Brasilien in Wien
Blau-Gelb-Grün: Wie Coccocypselum und Ipê aus dem brasilianischen Wald nach Wien gefunden haben
Mag. Heimo Rainer, Botanische Abteilung, NHM Wien
 
16.45 Uhr
Die zoologischen Sammlungen Johann Natterers – akribisches Meisterwerk und Quell wissenschaftlicher Inspiration
Dr. Markus Monzel, Präsident Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde
 
17.15 Uhr
Die Bayerischen Teilnehmer der Österreichischen Brasilien Expedition: Spix und Martius
Prof. Dr. Klaus Schönitzer, Zoologische Staatssammlung München
 
18:00 Uhr
Uraufführung des wissenschaftlichen Films „Das Siebengestirn“
OMNIS TERRA Media GmbH von Angelika Weber M.A. 
 
Das Jubiläum der Brasilienexpedition und deren Rezeptionsgeschichte bietet den idealen Stoff für eine transmediale Plattform, auf der ein interdisziplinärer Wissenstransfer entsprechende Wirkungen entfalten kann. Grundlagen dafür liefern der Kurzfilm „Das Dreigestirn“ mit dem Schwerpunkt der bayerischen Naturforscher und Gelehrten Karl Friedrich Philipp von Martius und dem Zoologen Johann Ritter von Spix und die zur Uraufführung kommende längere Fassung „Das Siebengestirn“, die sich auch den Expeditionsteilnehmern aus Österreich und Italien intensiv widmet. So führt dieses europäische Medienprojekt in eine fantastische Welt historischer Sammlungen mit hochaktuellen Bezügen. Von Beginn der Reise an gibt es genaueste Beschreibungen nicht nur zur Pflanzen- und Tierwelt, sondern auch zu den jeweiligen lokalen Gegebenheiten wie Klima, Geographie, Mineralogie, Bevölkerung und Sprachen.

Teaser zum Film: https://youtu.be/LaIYZZAOMmw

Presse-Akkreditierungen bitte an verena.randolf@nhm-wien.ac.at
 
Aufsammlung von Johann Natterer aus Brasilien
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
Porträt Dom Pedro de Alcantara
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
Porträt Erzherzogin Leopoldine
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
Porträt Johann Natterer
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
Geschenk des Kronprinzen von Brasilien an seinen Schwiegervater, Kaiser Franz I. (Muscheldose)
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
Sägesalmler, Aquarell und Stopfpräparat von Johann Natterer
Foto: NHM Wien, Alice Schumacher
  
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