geschrieben 1817 in Wien, gelebt 1817 bis 1826 in Rio de Janeiro
Im März 1817 waren in Wien die Vorbereitungen für die Hochzeit der Kronprinzessin Carolina Josepha Leopoldina mit dem Bragança
Prinzen Pedro abgeschlossen.
Die Eheverträge waren verhandelt und unterschrieben und für die Trauungszeremonie per procuram, die für den Abend des 13.
Mai 1817 vorgesehen war, lagen Kleid und Schleier bereit. Der Onkel, Erzherzog Karl, der den Bräutigam vertrat, hatte mit
Leopoldina in der Augustinerkirche bereits die Schritte zum Altar geübt.
Auch für die Reise, für die Übersiedlung nach Brasilien waren die Kisten gepackt. Darin waren die Bibliothek von Leopoldina,
ihre technischen, wissenschaftlichen Geräte, die Lupen und Vergrößerungsgläser die sie für ihre Mineralienstudien benötigte,
die Mappen mit Partituren von Franz Schubert; Bilder und Geschenke für die Schwiegereltern; und selbstverständlich die Aussteuer,
Tischwäsche, Bettwäsche, Porzellan, Kristall, Silberbesteck, alles mit Monogramm, und dazwischen lagen Lavendelsäckchen, denn
es sollte auch der Duft der Wäscheschränke aus Wien nach Rio de Janeiro kommen. Es war alles besprochen; alle verharrten im
Wartezustand, auch Leopoldina.
Noch einige Wochen und sie würde mit dem Segelschiff Richtung Neue Welt reisen.
Brasilien! Neue Welt!
Um diese Lebensperspektive wurde sie von allen beneidet. „Die Poldl ist ein Glückskind, sie ist ja ein Sonntagskind!“
Leopoldina freute sich auf einen Ehemann, von dem sie nur Gutes gehört hatte.
Keineswegs war sie naiv oder so schwärmerisch, dass sie sich die Zukunft nur rosig vorstellte. Gerade in den letzten Wochen
vor der Abreise konnte sie ihren Ängsten vor ihrer Zukunft nicht mehr ausweichen.
Sie wusste, sie musste stark sein, denn es wurde von ihr erwartet, dass sie ihre Mission als Tochter des Hauses Habsburg erfüllte
und die von Metternich arrangierte Heirat in guter Ehe führte und mit mehreren Nachkommen den Fortbestand der Dynastien Habsburg
und Bragança festigte – und dies alles ohne sich jemals über irgendetwas zu beklagen. Jedoch, wen konnte sie in Rio de Janeiro
fragen wenn sie sich nicht zurechtfand? In Rio würde sie auf sich allein gestellt leben, in einer neuen Familie, in fremder
Kultur, in einem anderen Alltagsrhythmus.
„Ich glaube, die Reise ist mein Schicksal“, schrieb sie ihrer Tante Maria Amalie.
Leopoldina wurde mehr und mehr verzagt, sie suchte inneren Halt. Ihre Tante riet ihr, im März 1817, wenige Wochen vor der
Hochzeit, für sich selbst Lebensregeln aufzuschreiben und diese Regeln in ihrem neuen Lebensabschnitt in Rio de Janeiro immer
wieder zu lesen und zu memorieren.
Das tat Leopoldina, und die Regeln die sie im Büchlein „Mes Resolutions“ aufschrieb gaben ihrem Alltag in Rio die Richtung.
Diese Grundsätze haben Leopoldina geleitet Entscheidungen zu treffen, sie haben sie begleitet durch höchstes Glück und durch
tiefstes Leid - Leidenschaft in den ersten Ehemonaten mit ihrem Pedro, Glückseligkeit über die Geburt ihrer Kinder, Schmerz
über den Tod des erstgeborenen Sohnes João Carlos, Entsetzen über das politische Chaos, das Ringen um die Unabhängigkeit für
Brasilien, die Wohltat und das Angenommenwerden von den einfachen Menschen, und schließlich die Resignation vor der negativen
Kraft der Mätresse.