16. Mai 2023

Ausstellung in Bildern

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die faszinierende Vielfalt Brasiliens aus der Perspektive der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte von Brasilien und Österreich mit ihren globalen Wechselwirkungen. Sie lässt sich in vielen Bereichen verfolgen – auf der politischen Ebene der großen Handelsabkommen genauso wie bei wissenschaftlichen und kulturellen Kooperationen. Und nicht zuletzt auf der privaten Ebene – bei unserem persönlichen Konsumverhalten.

Ein Einblick in die Ausstellung in Bildern:

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Fotos: © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
15. März 2023

Von Rio de Janeiro bis in die Tiefen des Amazonas-Regenwaldes – Die Darstellung Brasiliens im dekorativen Programm des NHM Wien

Blicke auf Brasilien – Teil II

Anschließend an den Dezember-Blogbeitrag wird heute das dritte Kunstwerk, das sich mit dem Thema Brasilien befasst, vorgestellt. Es handelt sich um das Gemälde „Mundurucu Indianer, Rio Tapajoz, Brasilien“ von dem österreichischen Historienmaler Julius von Blaas (1845-1922). Das Bild befindet sich im Saal XVI des Museums und wurde 1884 fertiggestellt.

Der größte Teil des Amazonas-Regenwaldes (ca. 60 Prozent) befindet sich in Brasilien. In diesen Wäldern leben bis heute eine große Anzahl indigener Völker - darunter auch die Munduruku, welchen im Museum nicht nur dieses Gemälde, sondern auch zwei Skulpturen gewidmet sind. Der Maler Julius von Blaas, der selbst niemals in den Tropen gewesen war, war darauf angewiesen, eine Vorlage für sein Gemälde zu suchen. Seine Urwaldszene sollte sich in ihrer Komposition stark an den Holzstich von Franz Keller-Leuzinger mit dem Titel „Erstes Zusammentreffen mit Caripunas-Indianern“ (Link zum Stich) anlehnen. Der Stich stammt aus Keller-Leuzingers bekanntem Reisewerk „Vom Amazonas und Madeira“. Keller-Leuzinger, der selbst 17 Jahre in Brasilien verbracht hatte, hatte sein reich bebildertes Buch 1873 veröffentlicht. Seine Illustrationen, darunter auch der oben genannte Holzstich wurden zu Klassikern der Brasiliendarstellung.

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Julius von Blaas: Mundurucu Indianer, Rio Tapajoz, Brasilien, ca. 1884, Saal XVI. © NHM Wien, A. Schumacher
Vergleicht man Keller-Leuzingers Stich mit dem Gemälde von Julius von Blaas, so fällt auf, dass von Blaas der grundsätzlichen Komposition von Keller-Leuzingers Stich folgt. Der schräg in das Bild hereinragende Baum über dem Fluss, an dessen Ufer gerade ein Boot anlegt, ist ein klares Zitat. Doch während bei Keller-Leuzinger die Caripunas-Indianer zu sehen sind, sind bei Blaas die Munduruku dargestellt. Die Szene von Blaas zeigt die Indigenen, wie sie - offenbar gerade von einer Jagd kommend - die Beute aus ihrem Boot ausladen, in diesem Fall einen Tapir. In dem Boot befinden sich zudem ethnographische Objekte der Munduruku.

Blaas positioniert eine Figurengruppe gut sichtbar in ein fast bühnenhaft inszeniertes und ausgeleuchtetes Urwaldambiente. Die Männer diskutieren offenbar über die eben herangebrachte Jagdbeute. Bekleidungs- und Schmuckgegenstände der Munduruku, die aus buntfarbigen Vogelfedern gefertigt waren und die im Museum zum Zeitpunkt der Eröffnung 1889 auch ausgestellt waren, sind besonders detailgenau dargestellt. Die Museumsbediensteten stellten dem Maler Vorlagen aus der Sammlung zur Verfügung. Der zuständige Kurator Franz Heger (1853-1931) informierte Ferdinand von Hochstetter am 8. Juni 1883 in einem Brief: „Maler Blaas arbeitet ruhig an dem brasilianischen Bilde, welches sein bestes werden dürfte. Ich habe die Mühe nicht gescheut, ihm eine Anzahl Gegenstände der Mundrucu namentlich den prächtigen Federschmuck auszupacken...“ 
Erst bei genauerer Betrachtung der Dargestellten, erkennt man auch zwei mumifizierte Köpfe, die jeweils mittels einer aus dem Mund ragenden Schlaufe am Gürtel des Anführers und eines Kriegers befestigt sind. Für Museumsgäste war und ist dies immer noch schwer zu entdecken, da die Bilder sehr hoch oben (unter der Decke) angebracht sind. Dieses Motiv sollte noch in einem weiteren Kunstwerk im Museum zum Thema werden, dazu mehr im nächsten Blogbeitrag.

- Dr. Stefanie Jovanovic-Kruspel,
Wissenschaftlerin im Archiv für Wissenschaftsgeschichte am NHM Wien
02. Februar 2023

Vademecum - Lebensregeln von Leopoldine von Österreich

geschrieben 1817 in Wien, gelebt 1817 bis 1826 in Rio de Janeiro

Im März 1817 waren in Wien die Vorbereitungen für die Hochzeit der Kronprinzessin Carolina Josepha Leopoldina mit dem Bragança Prinzen Pedro abgeschlossen.
Die Eheverträge waren verhandelt und unterschrieben und für die Trauungszeremonie per procuram, die für den Abend des 13. Mai 1817 vorgesehen war, lagen Kleid und Schleier bereit. Der Onkel, Erzherzog Karl, der den Bräutigam vertrat, hatte mit Leopoldina in der Augustinerkirche bereits die Schritte zum Altar geübt.
Auch für die Reise, für die Übersiedlung nach Brasilien waren die Kisten gepackt. Darin waren die Bibliothek von Leopoldina, ihre technischen, wissenschaftlichen Geräte, die Lupen und Vergrößerungsgläser die sie für ihre Mineralienstudien benötigte, die Mappen mit Partituren von Franz Schubert; Bilder und Geschenke für die Schwiegereltern; und selbstverständlich die Aussteuer, Tischwäsche, Bettwäsche, Porzellan, Kristall, Silberbesteck, alles mit Monogramm, und dazwischen lagen Lavendelsäckchen, denn es sollte auch der Duft der Wäscheschränke aus Wien nach Rio de Janeiro kommen. Es war alles besprochen; alle verharrten im Wartezustand, auch Leopoldina.
Noch einige Wochen und sie würde mit dem Segelschiff Richtung Neue Welt reisen.
Brasilien! Neue Welt!

Um diese Lebensperspektive wurde sie von allen beneidet. „Die Poldl ist ein Glückskind, sie ist ja ein Sonntagskind!“
Leopoldina freute sich auf einen Ehemann, von dem sie nur Gutes gehört hatte.
Keineswegs war sie naiv oder so schwärmerisch, dass sie sich die Zukunft nur rosig vorstellte. Gerade in den letzten Wochen vor der Abreise konnte sie ihren Ängsten vor ihrer Zukunft nicht mehr ausweichen.
Sie wusste, sie musste stark sein, denn es wurde von ihr erwartet, dass sie ihre Mission als Tochter des Hauses Habsburg erfüllte und die von Metternich arrangierte Heirat in guter Ehe führte und mit mehreren Nachkommen den Fortbestand der Dynastien Habsburg und Bragança festigte – und dies alles ohne sich jemals über irgendetwas zu beklagen. Jedoch, wen konnte sie in Rio de Janeiro fragen wenn sie sich nicht zurechtfand? In Rio würde sie auf sich allein gestellt leben, in einer neuen Familie, in fremder Kultur, in einem anderen Alltagsrhythmus.
„Ich glaube, die Reise ist mein Schicksal“, schrieb sie ihrer Tante Maria Amalie.
Leopoldina wurde mehr und mehr verzagt, sie suchte inneren Halt. Ihre Tante riet ihr, im März 1817, wenige Wochen vor der Hochzeit, für sich selbst Lebensregeln aufzuschreiben und diese Regeln in ihrem neuen Lebensabschnitt in Rio de Janeiro immer wieder zu lesen und zu memorieren.
Das tat Leopoldina, und die Regeln die sie im Büchlein „Mes Resolutions“ aufschrieb gaben ihrem Alltag in Rio die Richtung. Diese Grundsätze haben Leopoldina geleitet Entscheidungen zu treffen, sie haben sie begleitet durch höchstes Glück und durch tiefstes Leid - Leidenschaft in den ersten Ehemonaten mit ihrem Pedro, Glückseligkeit über die Geburt ihrer Kinder, Schmerz über den Tod des erstgeborenen Sohnes João Carlos, Entsetzen über das politische Chaos, das Ringen um die Unabhängigkeit für Brasilien, die Wohltat und das Angenommenwerden von den einfachen Menschen, und schließlich die Resignation vor der negativen Kraft der Mätresse.

„Mes Resolutions“ wurde für Dona Leopoldina zum Brevier, denn in den letzten Lebensjahren zehrte die Saudade an ihren Kräften; drei, oft vier Monate musste sie auf Post aus Europa warten.

Doch durch das ständige Lesen ihrer Grundsätze verließ sie nie ihre eigene Spur, und ohne sich jemals über irgendetwas zu beklagen erfüllte sie die Mission einer Habsburger Tochter.

„Mes Resolutions“ – Leopoldina hat diese Grundsätze durch ihr Leben in Tugenden verwandelt. Diese Lebensregeln sind zeitlos, sie wurden in Wien geschrieben und in Rio de Janeiro gelebt. In diesen Zeilen erlebt man Dona Leopoldina höchstpersönlich, es gibt kein weiteres Dokument aus dem sie näher und vertraulicher zu uns spricht.

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Originalkopie des Vademecums, Österreichische Nationalbibliothek
Mes Resolutions – Vienne 1817 / Meine Entschlüsse – Wien 1817

Das Dokument ist geteilt in Vorschriften (Regeln) für alle Tage / für alle Wochen / für alle Feste / für alle Gelegenheiten.

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Originalkopie des Vademecums, Österreichische Nationalbibliothek
Auszug
Meine Entschlüsse
 
Von dem 13ten May meinem Vermählungstage an nehme ich mir vor:

Meine Heftigkeit zu bändigen, mit meinen Leuten gut zu seyn und mich zu gewöhnen an Sanftmut und Nachgiebigkeit,
Will ich jeden unkeuschen Gedanken meiden, da ich schon von diesem Tage an meinem Gemahl angehöre.
Will ich mich befleissigen, mit Eifer an meiner Ausbildung zu arbeiten.
Will ich nun alle Mühe anwenden nur die reine Wahrhaftigkeit zu sprechen.


- Prof. Gloria Kaiser
Autorin des Romans "Dona Leopoldina. Die Habsburgerin auf Brasiliens Thron" (Seifert, 2015)

27. Januar 2023

Brazilian coral reefs: the last refuges from coral bleaching?


Over millions of years, corals evolved the capacity to build reefs and have survived a couple of mass extinctions (modern corals are ~250 million years old). However, they are now severely threatened and this has happened in just 50-100 years. By rapidly bringing the concentration of greenhouse gases far above what their levels have been over the last 650 thousands of years, our industries and our mass-consumption society are driving several ecosystems to collapse. Coral reefs, together with glaciers, are first on the death row. 

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What is coral bleaching? Can corals survive a bleaching event? If the stress-caused bleaching is not severe, corals have been known to recover. If the algae loss is prolonged and the stress continues, the corals eventually die. [NOAA. Historical Maps and Charts. National Ocean Service website, https://oceanservice.noaa.gov/facts/coral_bleach.html, accessed on 19/01/23]
Coral reefs are threatened by several human activities, but the most striking stressor for corals at the global scale is global warming and rising sea surface temperatures, often leading to coral mass bleaching and mass mortality. Coral bleaching happens when the symbiosis established between the coral animal and microscopic algae living inside its tissues collapses, often due to high seawater temperatures stepping out of the range to which corals are adapted. When corals bleach, they receive no sugars from their algal symbionts and they basically starve to death. If the conditions do not go back to normal within a few weeks, then the corals will actually die. Worldwide, we have already lost about 50% of all coral reefs, since the 1970s, and predictions are that we can lose most coral reefs by the middle of this century.

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A typical coral reef of Brazil in a healthy state. © Edson A. Vieira
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A typical coral reef of Brazil in a healthy state. © Edson A. Vieira
Somehow surprisingly, Brazilian reefs have historically escaped the devastating effects of ocean warming. They have even been classified as thermal refuges, as they have survived multiple thermal stress events in the past, such as those that have devastated the Caribbean and the Indo-Pacific regions. For example, in the third global mass bleaching event of 2014-2017, coral mortality in Brazil reached about 3% of corals, a low number if compared to an estimated worldwide loss of 16% of all living coral. This low impact of high temperatures on Brazilian reefs has been partially attributed to the elevated turbidity (low water clarity) of Brazilian waters and to the consequent reduction of solar irradiance reaching the corals. Brazilian reefs were thus for long thought to be naturally adapted to harsh conditions.

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Pale and bleached corals during a thermal stress event in Brazil.
© Guilherme Longo
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Pale and bleached corals during a thermal stress event in Brazil.
© Guilherme Longo
However, this relative stability of Brazilian coral reefs has recently been shown not to be bulletproof. A dramatic and widespread coral mass bleaching happened in 2019. For a period of almost two months, corals were exposed to high temperature stress. Catastrophic declines in coral cover were reported, especially of the major reef-building hydrocoral Millepora alcicornis, a species of colonial fire coral that reached mortality values up to 80-90%. Endemic stony coral species in the Mussismilia genus reached bleaching rates of 10-45% of the population, and mortality up to 13%. The 2019 bleaching event was the most catastrophic thermal stress event to the Brazilian marine biome since human records began, and it was unequivocally caused by a mass of warm water that spread throughout the western South Atlantic. However, the real extent of this catastrophe is not limited to the corals. The mortality of key coral species has repercussions for the entire coral reef, as these corals provide crucial habitats for several reef species of invertebrates and fishes. These events can therefore lead to local extinctions of other reef fauna and declines in the productivity of fisheries, therefore directly affecting coastal human populations.

Saving Brazilian corals reefs and other coral reefs worldwide will depend on limiting global temperature increase to a maximum of 1.5°C above pre-industrial times. This is a target that requires that each and all of us implement some degree of change into our daily lives, hopefully as part of efforts coordinated internationally by governments. Our daily actions matter for Brazilian reefs!

- Dr. Pedro Frade (NHM Vienna, Zoological Department III)
05. Dezember 2022

Von Rio de Janeiro bis in die Tiefen des Amazonas-Regenwaldes – Die Darstellung Brasiliens im dekorativen Programm des NHM Wien

Blicke auf Brasilien – Teil I

Das Naturhistorische Museum Wien ist ein Gesamtkunstwerk, in dem dekorative Ausstattung und Sammlungen eine Einheit bilden. Das Bildprogramm im Hochparterre hatte die Aufgabe, die ausgestellten Objekte visuell zu ergänzen. In den Sälen 14 – 19 präsentieren Gemälde sowie Skulpturen verschiedene Kulturen der Welt, von denen das Museum ursprünglich Sammlungen besaß. Als die Ethnographische Sammlung 1927 aussiedelte, um ein eigenständiges Museum (heute Weltmuseum Wien, in der Hofburg) zu schaffen, passte der inhaltliche Bezug zwischen Sammlung und Dekoration in den ehemaligen Schausälen dieser Sammlung nicht mehr zueinander. Die Bilder dieser Säle brachten Baudenkmale, Ruinen, Kolossalstatuen sowie ethnographische Szenen und Menschen aus verschiedenen Weltteilen und Kulturen zur Anschauung. Brasilien ist in diesem Teil des dekorativen Programmes in vier Kunstwerken thematisiert:

Robert Russ: Urwald am Amazonenstrom, Saal 10 – fehlt heute
Robert Russ: Rio de Janeiro, Saal 18
Julius von Blaas: Mundurucu, Rio Tapajoz, Brasilien, Saal 16
Viktor Tilgner:  Munduruku-Figur, Saal 14

Grund für die prominente Präsenz Brasiliens ist, dass das Museum sehr reiche und kostbare Sammlungen aus Brasilien besaß. Anlässlich der Vermählung von Erzherzogin Leopoldine mit dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro war 1817 eine Expedition nach Brasilien entsandt worden. Aufgrund des gewaltigen Umfanges an Material dieser Expedition wurde temporär sogar ein eigenes Museum – das so genannte „Brasilianum“ – eingerichtet. Nach dessen Auflassung 1836 wurden die Sammlungen in die Naturalienkabinette, die damals noch in der Hofburg waren, eingegliedert. Obwohl ein Teil der Sammlungen bei einem Brand der Hofburg 1848 vernichtet wurde, zählte das Brasilienmaterial auch bei der Eröffnung des neuen Museums an der Ringstraße 1889 (heute das NHM Wien) zu den absoluten Highlights der Sammlungen.

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Robert Russ: Rio de Janeiro, ca. 1883, Saal 18 (Ausschnitt). © NHM Wien
Die vier Kunstwerke im NHM Wien zeichnen ein heterogenes Bild Brasiliens. Gezeigt werden sowohl die moderne europäisch wirkende Großstadt Rio de Janeiro, die tropische Natur mit ihrer einzigartigen Pflanzenwelt, als auch das für die Europäer exotisch erscheinende Leben der Ureinwohner im Regenwald. Die Brasilien-Gemälde im Museum prägten im hohen Ausmaß das Bild, das sich Besucher Ende des 19. Jahrhunderts von Brasilien machten. Darüber hinaus illustrieren die Kunstwerke auch die Art und Weise, wie das Museum seine eigene Sammlungsgeschichte thematisiert und präsentiert. In den folgenden drei Blog-Beiträgen sollen daher die einzelnen Kunstwerke umfassender vorgestellt und analysiert werden.
Die ersten beiden Gemälde stammen von dem österreichischen Maler Robert Russ (1847-1922). Robert Russ, der einer Malerfamilie entstammte, zählt zu den sogenannten Stimmungsimpressionisten. Seine Werke zeichnen sich durch eine besondere Betonung von Licht und Atmosphäre aus. Das erste Bild, das thematisch mit Brasilien in Verbindung stand, befand sich im Saal 10. Es trug den Titel „Urwald am Amazonenstrom“ und ist im 2. Weltkrieg verloren gegangen - weder eine Skizze noch ein Foto davon ist erhalten geblieben. Lediglich eine kurze Beschreibung im ersten Museumsführer und ein leeres Feld im Saal 10 mit einer goldenen Beschriftungstafel darüber erinnert an seine frühere Existenz. Wie die Bildschreibung aus dem ersten Führer verrät, zeigte das Bild offenbar typische Pflanzen wie die Piassava-Palmen, Bananen sowie im Wasser Nymphaea-Arten und Sumpfgräser, die im Urwald am Amazonas heimisch waren.
 
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Joseph Axmann: Rio de Janeiro (nach Thomas Ender), aus Johann Emanuel Pohl: Reise Im Innern Von Brasilien, Band 2. 1837.
Aus: Brasiliana Iconográfica - https://www.brasilianaiconografica.art.br
Das zweite Gemälde von Robert Russ trägt den Titel „Rio de Janeiro“ und ist heute im Saal 18 aufgehängt (Abb. 1). Dieses Gemälde war eines der ersten, die für das Museum fertiggestellt wurden. Bereits im Jahre 1883 reichte Russ die Rechnung ein. Das Bild zeigt die von tropischer Waldvegetation umgebene Hauptstadt des damaligen Kaisertums Brasilien. Gekonnt fängt Russ die flimmernde Tropenhitze über der Stadt ein. Robert Russ, der zwar selbst viel gereist war, war jedoch niemals in Brasilien gewesen. Er musste daher für sein Bild eine authentische Vorlage finden, an die er sich halten konnte. Diese sollte er in einem von Thomas Ender (1793-1875) angefertigtem Aquarell „Panorama der Stadt Rio de Janeiro, gesehen von der Terrasse des Morro da Conceição“ aus dem Jahr 1817 finden. Thomas Ender war der offizielle Maler der „Leopoldina-Expedition“ gewesen und hatte die gesamte Reise in hunderten Skizzen und Aquarellen dokumentiert. Seine Bilder waren der Öffentlichkeit aus dem „Brasilianum“ gut bekannt und standen für einen authentischen Blick auf dieses ferne Land.  Enders Bild mit dem Blick auf die moderne Hauptstadt des Reiches umgeben von tropischen Wäldern war mit Sicherheit eines seiner berühmtesten Werke. Schon 1837 wurde es von dem österreichischen Maler und Graphiker Joseph Axmann (1793-1873) in einen Kupferstich übertragen und als Illustration von Johann Emanuel Pohls 2. Band des Werkes „Reise Im Innern Von Brasilien“ verwendet. Robert Russ hielt sich daher ganz bewusst in mancherlei Hinsicht an dieses berühmte Bild Thomas Enders. Er wählte nicht nur fast denselben Blickpunkt wie Ender, sondern auch sonst ist die Komposition des Vordergrundes mit Pflanzen und Staffagefiguren dem Ender-Bild durchaus ähnlich. Durch Bildzitate wie diese wurde eine direkte Verbindung zu der Brasilienexpedition hergestellt. Es ist durchaus davon auszugehen, dass Enders Bilder den Museums-Besuchern geläufig waren. Auf diese Weise schuf Russ nicht nur ein weitestgehend naturgetreues Bild der Hauptstadt Brasiliens, sondern knüpfte auch an die ruhmreiche Sammlungsgeschichte des Museums an.

-Dr. Stefanie Jovanovic-Kruspel,
Wissenschaftlerin im Archiv für Wissenschaftsgeschichte am NHM Wien
31. Oktober 2022

Universum History-Doku „Leopoldina Habsburg – Die Geburt des modernen Brasilien“

Die neue „Universum History“-Dokumentation „Leopoldina Habsburg – Die Geburt des modernen Brasilien“ beleuchtet am Dienstag, dem 1. November, um 21:50 Uhr in ORF 2 eine weitgehend unbekannte Episode in der Geschichte der Habsburger, in deren Zentrum die tragische Frauenfigur Leopoldina steht, deren Streben nach Wissen und Unabhängigkeit sie nicht vor Einsamkeit, Schmerz und den Zwängen des Patriarchats in ihrer zweiten Heimat Brasilien bewahren konnte. Das Dokudrama porträtiert anlässlich des 200. Jahrestages der brasilianischen Unabhängigkeit diese außergewöhnliche Frau und legt gleichzeitig die Zusammenhänge zwischen europäischer und südamerikanischer Geschichte offen.
 
Der Film von Katharina Heigl entstand unter Einbeziehung von wissenschaftlicher Expertise des Naturhistorischen Museums Wien, das noch bis 23. April 2023 zu eben diesem Anlass die Sonderausstellung „BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten“ zeigt. Im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht die faszinierende Vielfalt Brasiliens aus der Perspektive der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte von Brasilien und Österreich mit ihren globalen Wechselwirkungen. Sie lässt sich in vielen Bereichen verfolgen – auf der politischen Ebene der großen Handelsabkommen genauso wie bei wissenschaftlichen und kulturellen Kooperationen. Und nicht zuletzt auf der privaten Ebene – bei unserem persönlichen Konsumverhalten.
 
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Die Kaisertochter aus Wien – eine Großnichte Marie-Antoinettes – wird aus politischem Kalkül mit dem portugiesischen Kronprinzen Pedro I. verheiratet. Sein Vater, der König von Portugal, hat sich auf der Flucht vor Napoleon mit seinem Hof in die Kolonie Brasilien zurückgezogen. So wird die „verkaufte“ junge Habsburgerin im frühen 19. Jahrhundert zur ersten europäischen Prinzessin auf südamerikanischem Boden. Hoch gebildet und interessiert an Botanik, Mineralogie und politischen Entwicklungen, übt sie von Beginn ihrer anfangs glücklichen Ehe an großen Einfluss auf die Entscheidungen ihres Gemahls Dom Pedro aus. Sie ist es, die ihn schließlich dazu drängt, die brasilianische Bevölkerung bei ihrem Kampf um Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal zu unterstützen und dadurch den Fortbestand der Monarchie in Brasilien zu sichern. Mit den legendären Worten „Der Apfel ist reif. Pflücke ihn“ gibt sie ihm den entscheidenden Anstoß, Brasilien vom Joch Portugals zu befreien und das Kaiserreich Brasilien auszurufen. Doch vor den Gewaltattacken ihres cholerischen Mannes schützt sie ihr Einfluss nicht. Zeit ihres kurzen Lebens ist sie seinen Misshandlungen ausgesetzt. Er nimmt sich eine Geliebte, demütigt Leopoldina in aller Öffentlichkeit und ist gewalttätig. Schließlich bringt Leopoldina den lang ersehnten Thronfolger auf die Welt – die dynastische Pflicht ist erfüllt und es gibt nun keinen Grund mehr für den Kaiser, sich mit seiner Gemahlin zu arrangieren. Leopoldina stellt ein Ultimatum – was den Konflikt vollends eskalieren lässt. Dom Pedro reagiert mit Gewalt. Wenig später stirbt Leopoldina nach einer Fehlgeburt. Das brasilianische Volk gibt dem Kaiser die Schuld am Tod der „Landesmutter“ – er muss den Thron an seinen Sohn Pedro II. abgeben und das Land verlassen.

Dramaturgisch bildet die Spurensuche Kaiser Pedros II. von Brasilien in Wien den Rahmen für die Erzählung der Lebensgeschichte seiner Mutter, Maria Leopoldine Josepha Caroline von Habsburg-Lothringen. High-End-Reenactments (u.a. mit Fanny Altenburger als Leopoldina und Erwin Steinhauer als Pedro II.) mit historisch abgestimmter Ausstattung, dokumentarische Aufnahmen von und an den Originalschauplätzen Rio de Janeiro, São Paulo und Wien werden verbunden mit Statements von Historikerinnen und Vertretern von indigenen Gruppen. Vielschichtig animierte Gemälde der Hofmaler Jean-Baptiste Debret und Thomas Ender lassen das Publikum eintauchen in die exotische brasilianische Welt des 19. Jahrhunderts. Ausgewählte Zitate aus Briefen und dem Vademecum, dem „Lebensleitfaden“ Leopoldinas, führen durch ihre Geschichte, in ihre Welt, detailreich illustriert mit Spielszenen. Die Geschichte Leopoldinas wird durch die personalisierte Erzählstruktur eng verknüpft mit der Geschichte der Unabhängigkeit ihrer zweiten Heimat Brasilien.

Universum History "Leopoldina Habsburg: Die Geburt des modernen Brasilien"
Dienstag, 1. November 2022 um 21:50 Uhr in ORF 2.

Fotos © Satel Film/Zoe Opratko

20. Oktober 2022

Marine Protected Areas and marine conservation in Brazil

Marine Protected Areas (MPAs) were created and designed to protect marine ecosystems and to regulate the use of their natural resources. MPAs promote a multitude of benefits such as the protection of threatened marine species or of key habitats for the reproduction, growth and feeding of marine species, the recovery of degraded areas, or the increase of fish biomass. Thus, they have a direct impact on the life of human coastal communities, by promoting long-term access to food (food security), and their life quality via economic activities that depend on ecosystem health (e.g., tourism). MPAs also contribute decisively to increase ecosystem resilience against impacts and threats posed by global climate change.
 
In 1992, the United Nations’ Convention on Biological Diversity was launched and MPAs started to become recognized worldwide as important tools to protect marine biodiversity and its ecosystem services. At the 10th meeting of the Convention, which took place in Nagoya (Aichi, Japan) in 2010, 20 goals for the protection of biodiversity were defined as the Aichi goals. The goal 11 of Aichi stated that until 2020 at least 17% of global terrestrial areas and continental waters, and 10% of all marine and coastal waters, especially those with particular relevance for biodiversity and ecosystem services, should be protected through systems of marine protected areas effectively managed, that are also ecologically representative and interconnected and can thus be integrated in wider terrestrial and marine landscapes. Unlike much of the rest of the world, Brazil is actually meeting that specific Aichi biodiversity target.

A rock boring sea urchin ("Echinometra lucunter") hiding in a marine forest of turf algae. © Edson A. Vieira: A rock boring sea urchin ("Echinometra lucunter") hiding in a marine forest of turf algae. © Edson A. Vieira
Typical shallow patchy reefs off the tropical Brazilian coast.
© Edson A. Vieira
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Reefs and MPAs promote the health of populations of surgeon fish (Acanthurus chirurgus).
© Edson A. Vieira
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A small sea snail (Micromelo undatus) foraging on marine algae.
© Edson A. Vieira

Over the last decade, the number of MPAs in Brazil has increased considerably (despite recent weakening of environmental legislation in the country). Today, MPAs cover about 8% of all oceanic area of the planet, and in Brazil this number goes up to 25% of the oceanic area when one considers the so-called “Unidades de Conservação” (Conservation Units). Many of these areas are extremely large and represent a significant contribution to protect the oceans. However, just recently, the Brazilian government disregarded the proposals made through a technical study, public consultation and statements from the scientific community, and imposed a top-down decision which weakens protection in areas of great biological importance. Even if reaching Aichi target 11 quantitatively, there is still much to improve in Brazil and many marine and costal areas of strategic conservation interest are not yet under a protection scheme. Further “no-take” areas in MPAs are still needed as a means to better protect marine biodiversity and the ecosystem benefits it provides.
 
Due to major interdependencies between the coastal system and the continental runoff, a crucial challenge for Brazil is that its coastal management process needs to be considered in an integrated way. Such integrated management must avoid or at least mitigate the negative consequences of environmental catastrophes such as those in the municipality of Mariana, which resulted in devastating consequences for different coastal environments. MPAs are fundamental to the protection of the marine biome and to guarantee the sustainable use of resources by the local communities. Additionally, each of us also has the responsibility in our daily life and when accessing the beach and the sea to choose for environmentally friendly tourism operators, to proper disposal of waste and to take the best food choices that guarantee the integrity of marine communities.

[All photos were taken at the Marine Protected Area “Área de Proteção Ambiental dos Recifes de Corais” in Rio Grande do Norte, Brazil, an MPA created to protect the local coral reefs.]


- Dr. Pedro Frade (NHM Vienna, Zoological Department III)
- Dr. Heloisa D. Brum (Researcher and MPA Officer)

06. Oktober 2022

Wie unsere Sammlungsobjekte den Naturschutz in Brasilien unterstützen können


Die gigantische biologische Vielfalt Brasiliens ist durch starke Nutzung und Überformung durch den Menschen, durch die Abholzung von Waldflächen und die Zerstörung von Naturräumen massiv bedroht. Um dem Trend der Zerstörung entgegenzuwirken, bedarf es vor allem politischer und wirtschaftlicher Unterstützung aus aller Welt.

Aber auch die Wissenschaft kann ihren Teil dazu beitragen. Die Sammlungen des NHM Wien enthalten zahlreiche Informationen darüber, wo Arten vorkommen, wie sich ihre Verbreitung im Lauf von Jahrhunderten geändert hat und wie sie sich an veränderte Umweltbedingungen anpassten. Die Fülle von Detailinformationen, über Jahrhunderte hinweg dokumentiert, ist ein wichtiger Schlüssel zur wissenschaftsbasierten Bewältigung brennender Probleme von Mensch und Natur.

Von besonderer Bedeutung sind dabei die sogenannten Typusbelege. Wenn Wissenschaftler*innen eine neue Art entdecken und ihr einen Namen geben, müssen sie sich bei der Beschreibung auf ein bestimmtes Exemplar eines Tieres oder einer Pflanze beziehen, die in einem öffentlich zugänglichen Museum hinterlegt sein sollten.

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Aufspüren brasilianischer Herbarbelege durch brasilianische Studenten im Herbarium der Botanischen Abteilung, © NHM Wien
Solche Referenzbelege – ein Eichmaß für wissenschaftliche Namen sozusagen – werden als Typusexemplare bezeichnet. Sie sind für alle folgenden wissenschaftlichen Bearbeitungen unerlässlich und daher besonders wertvoll. Das NHM besitzt Hunderttausende von Typen, getrocknet auf Spannkarton aufgezogen wie bei Herbarbelegen oder in Flüssigkeit eingelegt und in Gläsern konserviert.

REFLORA

Speziell den Herbarbelegen widmet sich REFLORA.
Dabei handelt es sich um eine riesige offene Datenbank mit umfassenden Informationen zu Pflanzen und Pilzen Brasiliens. 63 brasilianische und 10 internationale Institute sowie mehr als 900 Botaniker*innen weltweit sind daran beteiligt. Bisher erfasst sind unter anderem 3,8 Millionen Herbarbelege (gepresste Pflanzen mit Fundangaben, auf Papier montiert).

Knapp 40.000 davon wurden in der Botanischen Abteilung des NHM Wien (international bekannt als Herbarium W) von brasilianischen Studenten herausgesucht und digitalisiert. Sie sind sowohl über das online Portal der Botanischen Abteilung verfügbar als auch über das REFLORA Portal.

Dort bilden sie zusammen mit den Herbarbelegen der anderen Institutionen  eine Grundlage zur Erforschung von Lebensräumen und Artenvielfalt und sind damit eine unersetzliche Ressource für den Schutz der Natur!

MAPBIOMAS

Die Informationen von Sammlungen und Beobachtungen werden außerdem durch die in Brasilien ansässige Initiative MapBiomas in einen geografischen Kontext gestellt: die geografische Verbreitung der Arten wird dabei sichtbar gemacht und den Naturräumen zugeordnet. Auf ihrem YouTube Channel kann man sich (allerdings auf Portugiesisch) einen Eindruck über ihre Arbeit verschaffen.
Beispielweise wird die Entwaldung in Brasilien im Jahr 2021 dargestellt und von Spezialisten kommentiert oder die Auswirkungen auf das Biom der „Caatinga“ einem vor allem durch große Trockenheit gekennzeichneten Naturraum für den Zeitraum von 1985 bis 2021 nachgezeichnet. So leistet die Arbeit von MapBiomas einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der brasilianischen Naturräume bzw. zeigt auch Möglichkeiten und Regionen für landwirtschaftlichen Entwicklung auf.


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Beispiel für einen Typusbeleg aus der Botanischen Abteilung des NHM Wien, der für REFLORA digitalisiert wurde. Er ist sowohl im Web-Portal der Botanischen Abteilung online als auch in der Sonderausstellung zu sehen. Die Art Augusta oblongifolia wurde von Johann Baptist Emanuel Pohl auf der österreichischen Brasilien-Expedition 1817-1821 bei Jaraguá im brasilianischen Bundesstaat Goyaz gesammelt, © NHM Wien

- Dr. Christian Bräuchler (Leiter der Botanischen Abteilung, NHM Wien)
- Mag. Heimo Rainer (wiss. Mitarbeiter der Botanischen Abteilung)
05. September 2022

Brasilien - Eine Ausstellung vermitteln

Was zeichnet die unterschiedlichen Lebensräume Brasiliens aus? Welche Tiere und Pflanzen kommen hier vor? Und was hat unser Alltag überhaupt mit Brasilien zu tun?

Passend zur aktuellen Sonderausstellung „Brasilien- 200 Jahre Beziehungsgeschichte“ hat die Abteilung für Wissenschaftskommunikation ein vielseitiges Vermittlungsprogramm entwickelt, um die unglaubliche Vielfalt von Brasiliens für Besucher*innen jeden Alters erlebbar zu machen.

NHM Kids und Co
Brasilien für junge Besucher*innen
 
Das Programm für Familien steht an den September-Wochenenden ganz im Zeichen unserer Sonderausstellung. Wer dabei sein will, kommt am besten am Samstag oder Sonntag um 14:00 Uhr in die Eingangshalle. Denn dort haben alle ab 6 Jahren die Möglichkeit, Brasilien im Rahmen einer kurzen Führung zu besuchen. Nach der Führung sind die Kinder - gemeinsam mit ihren erwachsenen Begleitpersonen - eingeladen, mit einem Rätselbogen das riesige Land in Südamerika auf eigene Faust zu erforschen. Die Rallye führt dabei durch die sieben großen Lebensräume Brasiliens, die sogenannten Biome. Wir bleiben aber auf unserer Reise nicht nur in der Sonderausstellung, sondern suchen auch in den Schausälen der zoologischen Sammlung nach den tierischen Bewohnern Brasiliens. Zum Abschluss der Forschungsreise landen wir auf Deck 50, wo es brasilianische Insekten unter dem Mikroskop zu bestaunen gibt.

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Mini-Treff
Brasilien für die Allerjüngsten
 
Für die ganz Kleinen von 3 bis 5 Jahren haben wir in unseren wissenschaftlichen Sammlungen gestöbert und ein paar interessante Tiere ausgewählt, die im brasilianischen Regenwald leben. Welche genau, wollen wir hier aber nicht verraten… es sei nur gesagt: eines davon lebt am Boden, eines weiter oben in den Bäumen und eines ganz oben in den Kronen der höchsten Baumriesen. Die Kinder können sich im Mini-Treff die Tiere in Ruhe aus der Nähe und ohne „Glasfront“ dazwischen ansehen. Wir treffen uns dazu samstags und sonntags auf dem Deck 50 und starten um 11:15 Uhr gleich nach der Dinoshow.


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Quiz Show
Brasilien für die ganze Familie
 
Ein Rate Spaß für Jung und Alt ist die neue Quiz Show auf Deck 50. Hier geht es auf eine Wissensreise quer durch die wunderbare Natur Brasiliens. Gemeinsam werden die unterschiedlichen Großlandschaften auf der 12 m langen LED Wand unter die Lupe genommen. Was es außerdem noch zu erleben gibt? Verblüffende Geschichten aus der Tier- und Pflanzenwelt Brasiliens, Hands-On Objekte zum Angreifen und neue digitale Möglichkeiten zum Abstimmen, sodass auch die Kleinsten spielerisch lernen und mitraten können. Im Anschluss an das Quiz kann auch das Forschungslabor von Deck 50 ausgiebig erkundet werden. Hier können die Besucher*innen Brasiliens spektakulärste Insekten, wie die schillernde Orchideen Biene, die berüchtigte 24-Stunden Ameise und den eindrucksvollen Tarantulafalken und ihre besonderen Eigenschaften kennenlernen. Die Quiz Show zu Brasilien findet bis 26. September an Samstagen und Sonntagen um 16:15-17:00 Uhr statt. Der Eintritt beträgt 5 Euro.

Zum Veranstaltungsprogramm...

- Mag. Ines Méhu-Blantar
(Leiterin Deck 50)
02. September 2022

Brasilien – Entdeckung und Eroberung eines unbekannten Landes


Schon vor mehr als 17.500 oder gar 27.000 Jahren wurde der amerikanische Kontinent von Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt besiedelt. In mehreren Einwanderungswellen, die nicht nur über die Beringstraße, sondern womöglich auch per Boot entlang der amerikanischen Küstenlinien erfolgten, kamen unterschiedliche Menschengruppen nach Amerika. Jahrtausende vor der europäischen Entdeckung und Kolonisierung Amerikas entwickelte sich in der Folge eine Diversität an (Hoch-)Kulturen, auch im heutigen Brasilien.
Mit dem Jahr 1500 begann die „europäische“ Geschichte Brasiliens. Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus 1492 ließ einen regen transatlantischen „Expeditionsverkehr“ entstehen; Namen wie Bartolomeu Dias, Vasco da Gama, Nicolau Coelho oder später Ferdinand Magellan haben sich in die europäische Entdeckungsgeschichte eingeschrieben. Der Seefahrer Pedro Álvares Cabral wurde schließlich vom portugiesischen Königshaus mit dem Aufbau einer maritimen Handelspassage für Gewürze nach Indien beauftragt und daher zum Befehlshaber der sogenannten zweiten königlich-portugiesischen Indienflotte ernannt.


Auf seinem Weg nach Indien stieß Cabral im April 1500 auf Brasilien, das er im Namen des portugiesischen Königs Manuel I. in Besitz nahm. Zunächst war das Land für Portugal nur von untergeordnetem Interesse. Das für die Farbstoffgewinnung genutzte Brasilholz gab dem ursprünglich „Papageienland“ genannten Brasilien seinen heutigen Namen und führte bald zu wachsender ökonomischer Ausbeutung durch die Europäer. Mit dem Anbau von Zuckerrohr erlangte die Kolonie dann eine zentrale Bedeutung für die portugiesische Krone. Die Errichtung großer Zuckerrohrplantagen durch portugiesische Lehnsherren, die auch die Aufgabe hatten, von der Küste her das Landesinnere zu erschließen, bedeutete die Integration Brasiliens in das System des transatlantischen Sklavenhandels: Afrikanische Sklaven – insgesamt ca. 5 Millionen Menschen vor der offiziellen Abschaffung der Sklaverei in Brasilien 1888 – wurden die entscheidenden Arbeitskräfte auf den Plantagen der Großgrundbesitzer.


: In der Ausstellung werden eine Vielzahl von brasilianischen Handelsgütern aus unseren Sammlungen ausgestellt. Hier im Bild das bekannte Brasilholz.
Brasilholz (Caesalpinia echinata)
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Brasilianische Handelsgüter

Bis ins 19. Jahrhundert, als die Zuckergewinnung aus Rüben gelang, blieb Zucker aus Brasilien eines der wichtigsten Handelsgüter des Landes. Im Laufe der Jahrhunderte kamen noch andere landwirtschaftliche Produkte wie Kautschuk, Baumwolle, Kaffee und heute insbesondere Soja hinzu, deren großflächiger Anbau die nachhaltige Zerstörung großer Teile der ursprünglichen brasilianischen Landschaft und Ökosysteme bedingte, zunächst in den Küstengebieten, dann zunehmend im Landesinneren. Auch Gold, das Ende des 17. Jahrhunderts südlich von Bahia, im heutigen Bundesstaat Minas Gerais, aufgefunden wurde, spielte bis zur Erschöpfung der Lagerstätten eine wichtige ökonomische Rolle. Die Ausrufung der Unabhängigkeit Brasiliens im Jahr 1822, an der die österreichische Erzherzogin Leopoldine von Habsburg entscheidend beteiligt war, beendete die politische Abhängigkeit des Landes vom Mutterland Portugal. Das System ökonomischer Abhängigkeiten und der ungleichen Verteilung des Reichtums im Land blieb hingegen unberührt.

- DDr. Martin Krenn
(Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte am NHM Wien)
Fotocredits: (c) NHM Wien, C. Rittmannsperger
26. August 2022

Dona Leopoldina: Die Habsburgerin auf Brasiliens Thron


Beitrag von Schriftstellerin Prof. Gloria Kaiser anlässlich der Festveranstaltung "200 Jahre Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal" am 7. September 2022 im NHM Wien:

Caroline Josepha Leopoldine war die Tochter von Kaiser Franz I. und Marie-Therese der beiden Sizilien. Gemäß den ehernen Gesetzen des Hauses Habsburg wurde sie bestens erzogen und ausgebildet, nicht nur in Sprachen und Elementarfächern, auch in den künstlerischen Bereichen. Leopoldine spielte hervorragend Klavier, ihr zeichnerisches Können war überdurchschnittlich; am liebsten beschäftigte sie sich mit Mineralien; sie war fasziniert von den Gärten in einem Smaragd, vertiefte sich in die Adern eines Achats, folgte den Lichtspiegelungen in einem Amethyst.
 
Sie lebte ihre Kindheit in der Hofburg, in Schönbrunn und in Laxenburg, es war eine behütete Kindheit. Und doch gab es Schmerzpunkte für das heranwachsende Mädchen – die Flucht mit der lieben Mama vor den Truppen Napoleons; die Verheiratung ihrer Lieblingsschwester Marie-Louise mit Napoleon; der frühe Tod der Mutter.
Mit 15 Jahren trat sie in den weltlichen Sternkreuzorden ein: „Sich in der Kleidung der Ehrbarkeit zu befleißigen“ – war einer der Grundsätze, die Leopoldine gerne befolgte. Mehr und mehr wurde die Naturwissenschaft, vor allem die Mineralogie und die Botanik, ihre Betätigung, aber auch ihre Fluchtwelt, denn mit sechzehn, siebzehn Jahren war eine Lebensfrage für sie noch unbeantwortet: Welcher Prinz würde ihre Bestimmung sein.

Endlich, im September 1816, konnte sie ihrer Schwester schreiben: „Nun bin ich Braut! Denke Dir, liebe Louise, meine Bestimmung ist Pedro von Bragança und Brasilien!“

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Sie bereitete sich akribisch auf ihren neuen Lebensabschnitt vor, lernte Portugiesisch, es wurden die Heiratsverträge verhandelt, die Kisten für die Übersiedlung nach Rio de Janeiro gepackt – darin war die Bibliothek von Leopoldine, ihr wissenschaftliches Gerät, die Lupen und Vergrößerungsgläser, die Pinzetten, Schürfwerkzeuge; auch das Medaillon von Pedro war gut verwahrt. Am 13. Mai 1817 fand in der Augustinerkirche in Wien die Hochzeit per procuram statt; Onkel Karl vertrat den Bräutigam.
Nach dreimonatiger Segelschifffahrt kam Leopoldine, nun Dona Leopoldina, am 5. November 1817 in Rio de Janeiro an. Dort sahen die Eheleute einander zum ersten Mal persönlich, und sie waren nicht enttäuscht voneinander.

In Rio de Janeiro fanden begeisterte Willkommensfeste statt; Leopoldina galt als das Symbol für Neubeginn im Kolonialland Brasilien. Ihr Schwiegervater Dom João VI. bestimmte aus Freude über seine „liebreizende Schwiegertochter, die mit Mannesmut den Ozean überquert hatte um in Brasilien Wohnung zu nehmen“, den 15. November, den Namenstag von Leopoldine, zum Feiertag.
Nun erlebte Leopoldina die Überfülle der tropischen Natur, sie unternahm Ausflüge mit Dom Pedro in die Umgebung von Rio de Janeiro, sie sammelte Pflanzen und Mineralien und katalogisierte sie.

Das Schicksalsjahr 1822:
Dona Leopoldina wurde in den Strom politischer Ereignisse geworfen. Im portugiesischen Kolonialland Brasilien vibrierten politische Unsicherheit und Unruhe. Portugiesische Cortes (Volksvertreter) wollten den freien Handel des Koloniallandes verhindern; einzelne Regionen des territorial riesigen Landes wollten sich von der Monarchie abwenden.
Selbstbewusst nahm Dona Leopoldina das politische Schicksal ihres neuen Heimatlandes in die Hand. Im August 1822 musste Dom Pedro nach São Paulo reiten, um die Paulistas von der Arbeit der Monarchie zu überzeugen, und für die Zeit seiner Abwesenheit wurde Dona Leopoldina mit Bestallungsurkunde (13. 8. 1822) zur Regentin erklärt. Mit diesem Dokument hatte Dona Leopoldina alle Rechte und auch alle Pflichten alles zum Besten (zum Wohle) Brasiliens zu entscheiden und zu tun.
Als zwei Wochen später neuerlich portugiesische Soldaten in Rio ankamen, die die Regierungsgeschäfte übernehmen wollten, berief Dona Leopodlina unverzüglich den Staatsrat ein und unter ihrem Vorsitz wurde am 2. September 1822 der Staatsratsbeschluss zur Unabhängigkeit Brasiliens vom Mutterland Portugal getroffen und unterzeichnet.
Fünf Tage später erhielt D. Pedro in São Paulo den Brief von D. Leopoldina, in welchem sie ihn über die Ereignisse informierte und schrieb: „…der Apfel ist reif, pflücke ihn.“
 
Und ganz seinem Temperament entsprechend rief Dom Pedro am 7. September 1822: „Independência ou Morte“ (Unabhängigkeit oder Tod) und ratifizierte damit den Staatsratsbeschluss.
 
Nun war es nötig, dass die Unabhängigkeit Brasiliens vom Mutterland anerkannt wurde. Dona Leopoldina schrieb unermüdlich Briefe – an ihren Schwiegervater nach Lissabon – „seien Sie der Friedensengel“ – an ihren Vater, Kaiser Franz I. nach Wien – „bitte ich Sie als unser Alliierter aufzutreten“. Und in einer diplomatischen Meisterleistung gelang es ihr, dass im August 1825 die Anerkennung der Unabhängigkeit Brasiliens in Verträgen festgeschrieben wurde.
 
Dona Leopoldina ist sehr jung gestorben, am 11. Dezember 1826, fünf Wochen vor ihrem dreißigsten Geburtstag. Untrennbar ist der Lebensfaden von Dona Leoploldina in die Geschichte Brasiliens gelegt. Sie hat ihre Mission als Habsburger Tochter erfüllt – eine einmal übernommene Aufgabe ist zu Ende zu bringen. Sie hat sechs Kinder geboren, fünf Mädchen und den Thronfolger Pedro II.
Sie hat Brasilien, das Land und die Menschen geliebt; „nossa mãe“ wurde sie schon zu Lebzeiten genannt. Heute verehrt man Dona Leopoldina als Mutter der brasilianischen Nation, und in den Schulen wird sie als Vorbild für die brasilianischen Mütter dargestellt.

 
- Prof. Gloria Kaiser
Autorin des Romans "Dona Leopoldina. Die Habsburgerin auf Brasiliens Thron" (Seifert, 2015)


 
Festveranstaltung - 200 Jahre Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal
Am 07. September 2022 feierte das NHM Wien gemeinsam mit Gästen aus Brasilien die 200-jährige Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal. Untermalt wurde die poetisch-musikalische Festveranstaltung von Schriftstellerin Prof. Gloria Kaiser und dem Auner-Quartett.


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19. August 2022

Secrets of the brasilian rhodolith beds


Rhodolith (or maërl) beds are marine bottom communities dominated by colourful, calcareous nodules of non-articulated coralline (red) algae. Despite being much less known than coral reefs, for example, they are dominant along the Brazilian coast, covering some estimated 230,000 km2 along the exclusive economic zone and including the largest known latitudinal occurrence of rhodolith beds in the world, covering an extension of more than 5,000 km from the state of Pará down to Santa Catarina.


Rhodoliths are the result of calcification of benthic marine red algae in the genera Corallinales and Sporolithales and they commonly occur on sediment. They provide a hard three-dimensional substrate that serves as microhabitat for a wide diversity of organisms, such as invertebrates, algae and fishes. Without rhodoliths, large areas of seabed would be like a desert of sediment with little to no marine life. Their habitat-forming nature, analogous to trees in a forest, means rhodoliths are crucial for the presence of many species of commercial importance (such as lobster).

Rhodoliths are also important storages of calcium carbonate, and this has made them a potential target for commercial exploitation of carbonates until the second half of the 1990’s.

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Brazilian rhodolith beds and their associated communities.
© Eduardo de Oliveira Bastos
It was only recently that their wide ecological importance as habitat-builders was recognized. Also, the dynamic nature of rhodolith beds means they can form relevant ecological corridors connecting distinct underwater regions and therefore contributing to the maintenance of their biodiversity. Still, there is a large knowledge gap on the faunal diversity associated to rhodoliths, particularly in groups such as sponges, echinoderms and tunicates. Their capacity to be a long-term carbon reservoir has brought new emphasis on their conservation. For example, the rhodolith beds extending from the Amazon River mouth to the coast of Santa Catarina state are predicted to lose up to 80% of their carbonate structure if exposed to extreme temperature conditions (such as caused by ocean warming) and lower pH of seawater (caused by ocean acidification).

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© Eduardo de Oliveira Bastos
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© Eduardo de Oliveira Bastos
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© Eduardo de Oliveira Bastos
One iconic rhodolith bed is that of the Abrolhos arquipelago, considered to probably be the largest rhodolith bed in the world. This rhodolith system was affected by the Mariana mining disaster (see more info in our Brazil exhibition), which caused the formation of a marine plume of toxic and organic substrates extending over 600 Km northwards along the coast, from the Rio Doce mouth in Espirito Santo all the way to the south of Bahia. Just recently, Brazilian scientists have warned for dramatic environmental effects as a consequence of the growing lobbying for mining of rhodolith beds as source of fertilizers. The war in Ukraine and the shortage of fertilizers is the argument used by some to try to exploit this ecosystem that belongs to all and that is crucial for marine life as well as for food security along the Brazilian coast. Rhodoliths are precious aesthetically, ecologically and economically, but the benefits they provide can only be long-lasting if these areas are properly preserved and managed.

- Dr. Pedro Frade (NHM Vienna, Zoological Department III),
Dr. Cecilia Pascelli (University of the Sunshine Coast, Queensland, Australia)
 
 
12. August 2022

Das Design der Ausstellung


Wie wurde die Ausstellung BRASILIEN gestaltet? Aus welchen Elementen setzt sie sich zusammen? Und wie bringt man die Großlebensräume des Landes in zwei Ausstellungsräume?

Julia Landsiedl, Szenografin im Naturhistorischen Museum Wien, erzählt über die Gestaltung der Ausstellung, über die Farben, die Räume und "sprechende" Objekte!


27. Juli 2022

Weißes Wasser, schwarzes Wasser und der Flutpuls des Amazonas

Econtro das Aguas – das Treffen der Wasser bei Manaus. Das eine hell und schlammig, das andere dunkel und geheimnisvoll. Weißwasser und Schwarzwasser. In riesiger Ausdehnung das Flusswasser, so dass Einheimische auch schon mal vom Amazonasmeer (Abb. 1) sprechen. Wo der Amazonas mal bis oben an die Kaimauer von Manaus, einer großen Stadt mitten im tropischen Regenwald, schwappt, und mal die Boote im Hafen nur über den roten Strand und einen Holzsteg zu erreichen sind (Abb 2). Was ist da los?


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Abb. 1: Transport auf dem breiten Amazonasmeer. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland
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Abb. 2: Ein Hafen von Manaus bei Niedrigwasser. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland


Das helle Wasser der Weißwasserflüsse entspringt den Anden und trägt eine große Sedimentfracht mit sich. Es durchzieht das Amazonasbecken wir ein riesiges Nährstoffband. An seinen Ufern siedeln Menschen, die sich Caboclos nennen, eine Mischung aus Indigenen und vor allem Portugiesen (Abb. 3). Sie bauen auf den nährstoffreichen Böden Gemüse an.

Die Schwarzwasserflüsse entspringen kleineren Bächen, Igarapés (Abb. 4), im Amazonasbecken selber. Die alten Böden enthalten wenig Nährstoffe. Sie sind tiefgründig oxidiert und weisen entsprechend die typische rote Farbe tropischer Böden auf. Die Nährstoffe sind überwiegend in der Vegetation gespeichert. Die Böden sind entsprechend nährstoffarm, die Vegetation wird sofort zersetzt und die Nährstoffe wieder mit Hilfe von Bakterien und Pilzen von den Pflanzen aufgenommen. Entsprechend ist auch der Humusgehalt der Böden gering, so dass sie keine Nährstoffe halten können. Das macht sie auch so empfindlich gegenüber Rodungen – ohne Nährstoffe und Humus kann sich die Vegetation nicht erholen.

Der Wechsel von Regen- und Trockenzeiten führt dazu, dass der Wasserstand des Amazonas und seiner Nebenflüsse einem jahreszeitlichen Rhythmus unterliegt, dem sogenannten Flutpuls. Die Wasserstände des Amazonas und seiner Nebenflüsse schwanken im Jahresverlauf um die zwölf Meter. Flussnahe Ufer sind länger und höher überflutet als Gebiete, die etwas höher liegen. Das spiegelt sich auch in der Zonierung der Vegetation wieder: Im Fluss wachsen Gräser wie Echinochloa polystachya, die quasi mit der Geschwindigkeit des steigenden Wasserpegel mitwachsen – eine gigantische Biomasseproduktion. Je höher gelegen das Ufer, desto eher überleben auch Bäume (Abb. 5).


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Abb. 3: Die Caboclos, Bewohner der Uferstreifen, haben ihre Häuser zum Schutz vor der Überflutung auf Stelzen gebaut, oder wohnen gleich in Hausbooten. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland
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Abb. 4: Igarapé auf der Terra firme. Die rote Färbung entsteht durch Huminstoffe. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland
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Abb. 5: Die Uferbereiche des Amazonas werden im Jahresrhythmus überflutet. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland


Die Vegetation der Ufer von Weißwasser- und Schwarzwasserflüssen unterscheidet sich auch; oft sind die Hölzer der nährstoffreichen Várzea härter als die des nährstoffarmen Igapós im Schwarzwasser. Die imposanten Brettwurzeln finden man dagegen überall – und auch auf der Terra firme, den nicht überschwemmten Waldgebieten.

Aber nicht nur die Pflanzen, sondern auch Tiere passen sich an den Flutpuls an. Für meine Promotionsarbeit am Max-Planck-Institut für Limnologie (heute Evolutionsbiologie) in Plön habe ich die Überlebensstrategien von Tausendfüßern, Diplopoda, untersucht. Entgegen der ursprünglichen Hypothese, dass diese Tiere von der Terra firme in den Überschwemmungswald einwandern, konnte ich zeigen, dass die untersuchte Art aus den Anden kommt und über Tausende von Kilometern entlang der Weißwasserflüsse verbreitet ist. Die Tiere krabbeln die Baumstämme hoch und weichen, sofern sie alt und groß genug sind, dem Wasser so weit aus, dass möglichst keines ihrer 62 Beinchen feucht wird (Abb. 6). Eier und Larven überleben die Überflutung nicht, so dass die Tiere auch einen jahreszeitlichen Rhythmus aufweisen (Abb. 7).

Wie stabil der Flutpuls und damit das Habitat von speziell angepassten Arten erhalten bleibt, ist ungewiss. Der Klimawandel beeinflusst die globale Wasserzirkulation und hat in den letzten Jahren zu starken Überflutungen geführt. Ein anderer Effekt ist, dass durch die großflächige Zerstörung von Waldfläche der interne Wasserkreislauf, das mehrfache Verdunsten und Abregnen desselben Wassertropfens, unterbrochen ist.

Hoffnung machen einige der in der Ausstellung gezeigten wissenschaftlichen Projekte sowie Anzeichen, dass Klima- und Biodiversitätsabkommen mit entsprechenden Maßnahmen öffentlicher diskutiert werden.


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Abb. 6: Pycnotropis tida, eine Tausendfüsserart der Ordnung Polydesmida, überdauert die Überflutungen an Baumstämmen. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland
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Abb. 7: Diese überwiegend noch juvenilen Tiere (Pycnotropis tida) haben sich den falschen Baum ausgesucht und werden die Überflutung nicht überleben. © NHM Wien, Dr. Katrin Vohland

- Dr. Katrin Vohland
(Generaldirektorin und wiss. Geschäftsführerin der NHM Wien)



Lesetipps:

Geomax. Neugierig auf Wissen: https://lernarchiv.bildung.hessen.de/uportale/wissenschaft/mpg/geo_max/medienpaket_geomax08/geomax_8.pdf
Deutschlandfunk Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/klimawandel-am-amazonas-gefahr-fuer-die-artenvielfalt-100.html
Überlebensstrategien und Diversität von Bäumen an einem Extremstandort. Ein Beispiel aus amazonischen Überschwemmungswäldern: http://www.biodiversity-plants.de/downloads/Parolin_HabilSchrift_2002.pdf
15. Juli 2022

Die sieben Biome Brasiliens

Brasilien ist ein riesiges Land, das mit 8,5 Mio. km² fast die Hälfte von Südamerika einnimmt. Mit seinen Gebirgsketten, Hochebenen und weiten Flussbecken weist es zahlreiche verschiedene Klimate und Boden auf. Trotz dieser Vielfalt kann das Land grob in sechs Großlebensräume, Biome genannt, untergliedert werden: Mata Atlântica, Amazonien und die Caatinga bestehen großteils aus Waldgebieten; Cerrado und Pampa werden von Savannen-Landschaften beherrscht; das Überflutungsgebiet des Pantanal ist vom Wasser geprägt. Entlang der Küste schließt das marine Biom, das Küstenmeer, an. In der Ausstellung werden diese Biome, ihre naturräumlichen Besonderheiten, typische Pflanzen und Tiere, aber auch die Zerstörung ursprünglicher Natur und akute Bedrohungen durch den Menschen vorgestellt.
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Bioma Marinho

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Achttausend Kilometer entlang des Atlantiks – damit besitzt Brasilien eine der längsten Küstenlinien der Welt. Die Vielfalt dieses Ozeans wird nicht nur durch die verschiedenen angrenzenden Lebensräume, sondern auch durch das Klima bestimmt. Im Norden herrschen das ganze Jahr über tropische Bedingungen mit bis zu 30 °C, im Süden schwanken die Temperaturen zwischen sommerlichen 25 °C und winterlichen 11 °C. Dadurch konnten sich unterschiedlichste Lebensräume entwickeln. Genau wie der Boden an Land ist auch der Meeresboden äußerst vielfältig: Mangrovenpflanzen, Seegräser und Algen, Kalkalgen und Korallen bilden die Basis für verschiedenste Ökosysteme.



Mata Atlântica

Der Atlantische Wald erstreckt sich entlang weiter Teile der brasilianischen Küste und reicht bis zu mehrere 100 km ins Landesinnere. Auf Portugiesisch wird dieser Lebensraum, der 15-mal so groß ist wie Österreich, Mata Atlântica genannt. Die feuchten Luftmassen des Atlantiks sorgen hier für große Regenmengen. Neben tropischen Wäldern gibt es auch Lorbeer- und Araukarien-Walder. Vor der Kolonialisierung durch die Europäer bedeckten diese Wälder das Gebiet fast durchgehend. Durch die unterschiedlichen Höhenlagen, klimatischen und geologischen Verhältnisse konnte sich in der Mata Atlântica eine enorme Artenvielfalt entwickeln. Allein 17.500 verschiedene Pflanzenarten sind bekannt, 9.500 davon kommen ausschließlich im Atlantischen Wald vor.



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Amazônia

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Amazonien ist ein Naturraum, der sich über Brasilien hinaus nach Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela und die Guyana- Staaten erstreckt. Das Einzugsgebiet des Amazonas-Entwässerungsnetzes hat ein Gesamt-Ausmaß von etwa 7,9 Mio. km².
3,6 Mio. km² befinden sich in Brasilien und sind weitgehend von immergrünem tropischem Regenwald bedeckt. Das Wasser beherrscht den Lebensraum Amazoniens. Hohe Niederschlagsmengen von über 3.000 mm, hohe Luftfeuchtigkeit sowie zahlreiche Ströme, Flüsse, Bäche und Gerinne zeichnen dieses immer noch üppige und artenreiche Biom aus. Ein Sechstel der weltweiten Süßwassermengen sind im Ökosystem Amazoniens gebunden. Der Amazonas-Regenwald zählt zu den artenreichsten Gebieten der Erde. Er beherbergt etwa 10 % aller weltweit vorkommenden Pflanzen- und Tierarten.



Caatinga

Die mit lockerer Vegetation bedeckte Landschaft der Caatinga umfasst eine Fläche, die 10-mal so groß ist wie Österreich. Zwar fallen ähnlich viele Niederschläge wie bei uns, sie konzentrieren sich aber auf eine kurze Periode und sorgen zum Teil für heftige Überschwemmungen. Den Rest des Jahres über herrscht ausgeprägte Trockenheit. Durch die starke Sonneneinstrahlung wirkt die Landschaft viele Monate hindurch dürr und bleich, unwirtlich und abweisend. Daher gaben ihr die ursprünglich hier beheimateten Tupi den Namen Caatinga, „weißer Wald“. Alle Lebewesen sind hervorragend an die ausgeprägte Hitze und Trockenheit angepasst. Nur ausdauernde Pflanzen wie laubabwerfende, wasserspeichernde Bäume und alle Arten von Kakteen können die langen Dürreperioden überstehen. Über 1.000 Pflanzenarten kommen ausschließlich in der Caatinga vor.



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Pantanal

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Mit fast 150.000 km² zählt das Pantanal zu den größten Inland-Feuchtgebieten der Erde. Rund 80 % der Gesamtfläche befinden sich auf brasilianischem Boden. Gebildet wird das Pantanal durch eine Senke zwischen den Anden im Westen und dem Hochland von Mato Grosso im Osten. Hier fließt der Rio Paraguay mit sehr schwachem Gefälle, wodurch zwei Drittel der Fläche regelmäßig überflutet werden. Ruhigere Gewässer-Abschnitte sind oft von einem dichten Pflanzenteppich aus Wasserhyazinthen, Wassersalat und Schwimmfarn bedeckt; die Fischwelt zeigt eine enorme Vielfalt. Während der Trockenzeit bleiben zahlreiche kleine Tümpel übrig, in denen sich die größte Kaiman- Population in Sudamerika konzentriert. Während der Regenzeit ragen eiszeitliche Dünen als baumbestandene Inseln aus dem Wasser. Insgesamt entsteht ein Mosaik von unterschiedlichsten Lebensräumen mit einer hohen Vielfalt an Tierarten.



Pampa

Die Pampa erstreckt sich im äußersten Süden Brasiliens und weiter nach Argentinien. Der Name, der so viel wie Ebene oder Feld bedeutet, ist sogar sprichwörtlich in den deutschen Sprachgebrauch übernommen worden. Subtropisches Grasland prägt das Landschaftsbild. Dazwischen gibt es eingestreute Felsformationen, auf denen hochspezialisierte Pflanzenarten gedeihen. Wald findet sich lediglich entlang von Flüssen, ansonsten wird Baumwuchs durch natürliche und vom Menschen verursachte Beweidung verhindert. Trotz der vergleichsweise kleinen Fläche kommen hier über 3.500 Pflanzenarten vor – 550 nur in der Pampa, 120 davon nur im brasilianischen Teil. Die Vielfalt der Tierwelt ist weit geringer; der Pampashirsch bekam seinen Namen nach diesem Lebensraum, hat aber ein weiteres Verbreitungsgebiet.



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Cerrado

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In Brasilien erstreckt sich über 1,9 Mio. km² die größte zusammenhangende Savannen-Landschaft der Welt, der Cerrado. Die Vegetation zählt zu den Feuchtsavannen, da es mit 1.000 bis 2.000 mm Niederschlag im Jahr relativ viel regnet und die Trockenzeit mit 4 bis 5 Monaten kurz ist. Die Böden sind extrem nährstoffarm und weisen hohe Mengen an freiem Aluminium auf. In Anpassung an die extremen Bedingungen ist die Vegetation überwiegend immergrün und hartlaubig. Eng ineinander verschlungen bilden die Pflanzen ein nahezu undurchdringliches Dickicht; daher auch der portugiesische Name Cerrado („verschlossen“). Regelmäßige Feuer verhindern die Entstehung von flächendeckenden Wäldern; nur entlang von Flüssen finden sich dichtere Baumbestände (Galeriewälder). Der Cerrado beherbergt fast 13.000 verschiedene Pflanzenarten. Nicht zuletzt darum gilt er als einer der Biodiversitäts- Hotspots der Welt.

Grafik: Die 7 Biome Brasiliens; © NHM Wien, Rosemarie Hochreiter
Bild 2: Bioma Marinho, Ausstellung Brasilien, Saal 18; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 3: Mata Atlântica, Ausstellung Brasilien, Saal 18; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 4: Amazônia, Ausstellung Brasilien, Saal 18; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 5: Caatinga, Ausstellung Brasilien, Saal 18; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 6: Pantanal, Ausstellung Brasilien, Saal 17; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 7: Pampa, Ausstellung Brasilien, Saal 17; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Bild 8: Cerrado, Ausstellung Brasilien, Saal 17; © NHM Wien, Christina Rittmannsperger

30. Juni 2022

Österreich und Brasilien: Hintergründe einer dynastischen Beziehung


Bella gerant alii, tu felix Austria nube. – Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.

Dieses vielzitierte, geradezu identitätsstiftende Familienmotto der Habsburger drückt eine erfolgreiche Praxis der österreichischen Herrschaftsdynastie aus: Durch günstige Heiraten sollte der politische Machtbereich erweitert werden. Eheschließungen wurden vor diesem Hintergrund zu Akten der Staatsräson. Die jungen Erzherzoge und Erzherzoginnen der Familie Habsburg wurden daher häufig schon im Kindesalter mit Mitgliedern anderer Dynastien – oder mit eigenen Verwandten – vermählt.

Die 1797 geborene Erzherzogin Leopoldine von Österreich war die vierte Tochter des österreichischen Kaisers Franz I. und seiner zweiten Frau Maria Theresia von Neapel-Sizilien. Auch sie wurde für eine vielversprechende dynastische Verbindung vorgesehen, als nämlich der portugiesische König Johann VI. (João VI.) aus dem seit 1640 in Portugal regierenden Haus Braganza (Bragança) eine Ehefrau für seinen Sohn und Kronprinzen Dom Pedro (Peter I.) suchte.
Im Hintergrund zog der „starke Mann“ der österreichischen Politik, Außenminister Fürst Klemens Wenzel von Metternich (ab 1821 Staatskanzler), die Fäden.
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Beide Seiten, Portugal und Österreich, erhofften sich von der angebahnten Heirat große Vorteile. König Johann VI., der mit seinem Hofstaat 1807/08 vor Napoleon nach Brasilien geflüchtet war, suchte nach einer Möglichkeit, sich von der immer stärkeren Abhängigkeit seines Landes gegenüber Großbritannien zu befreien. Dies sollte durch eine neue Allianz mit einer anderen europäischen Großmacht – Österreich – geschehen. Für Metternich wiederum eröffnete eine Einheiratung in die portugiesische Königsfamilie die Gelegenheit, die österreichische Einflusssphäre nach Südamerika auszudehnen. Da alle kolonialen Bestrebungen der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert scheiterten, erschien es umso verlockender, über den indirekten Weg der Heiratspolitik am amerikanischen Kontinent Fuß fassen und das damals noch weitgehend unerforschte Brasilien für eigene Interessen nutzbar machen zu können. Die große österreichische Brasilien-Expedition, die im Rahmen von Leopoldines Verheiratung 1817 auf den Weg gebracht wurde, war somit nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine wirtschaftspolitische Aufklärungsmission.

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Mit ihrer Heirat mit Dom Pedro wurde Leopoldine zur Kronprinzessin des seit 1815 bestehenden Vereinigten Königreichs von Portugal und Brasilien. Als König Johann VI. 1821 nach Portugal zurückkehrte, blieben Dom Pedro und Leopoldine in Brasilien. Der Prozess der Unabhängigkeit Brasiliens ein Jahr später, 1822, trägt im übertragenen wie wörtlichen Sinn Leopoldines Handschrift. Durch die Krönung ihres Ehemannes wurde sie zur Kaiserin von Brasilien – und bemühte sich fortan intensiv um die internationale Anerkennung der Unabhängigkeit ihrer neuen Heimat. 1825 sollte Leopoldine noch die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen Brasilien und Österreich erleben.

Die Nachkommen der 1826 früh verstorbenen Leopoldine stellten bis zur Abschaffung der brasilianischen Monarchie 1889 die brasilianischen Regenten. 1888 unterzeichnete beispielsweise Prinzessin Isabel, eine Enkelin Leopoldinas, während einer gesundheitsbedingten Abwesenheit ihres Vaters Peter II. das Goldene Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei.

- DDr. Martin Krenn
(Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte am NHM Wien)



Fotocredits:
Bild 1: Erzherzogin Leopoldine von Österreich und Dom Pedro I. von Portugal. Ausstellungsansicht © NHM Wien, C. Rittmannsperger
Bild 2: Fürst Klemens Wenzel von Metternich. © NHM Wien, Archiv für Wissenschaftsgeschichte
14. Juni 2022

Erste Einblicke in die Ausstellung - Geschichte, Naturräume und Wege der Nachhaltigkeit!


Warum wird die Ausstellung "BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten" aktuell gezeigt?

Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin des NHM Wien und Kuratorin der Ausstellung, gibt einen Einblick in die Biome und Naturräume Brasiliens, in die gemeinsame Geschichte zwischen Österreich und Brasilien und in wissenschaftliche Projekte zu Renaturierung - für einen Weg der Nachhaltigkeit!

08. Juni 2022

„BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten“ – Die neue Ausstellung ist eröffnet!


Zwischen brasilianischen Klängen der Band Mandando Brasa und prächtiger Pflanzendekoration der Österreichischen Bundesgärten empfingen NHM Wien-Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland und wirtschaftlicher Geschäftsführer Mag. Markus Roboch die Eröffnungsgäste. Als Vertreter der Republik Brasilien sprach Botschafter Nelson Antonio Tabajara de Oliveira Grußworte, ebenso wie Botschafter Dr. Marcus Bergmann (Stv. Leiter der Sektion Internationale Kulturangelegenheiten, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten). Eröffnet wurde die Ausstellung von Mag. Jürgen Meindl (Leiter der Sektion Kunst und Kultur, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport). Die Eröffnung wurde eingebettet in wissenschaftliche Beiträge des Kurator*innen-Teams: Zu den verschiedenen Themen der Schau sprachen neben Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland der Leiter der Botanischen Abteilung, Dr. Christian Bräuchler, die Kuratorin der Anthropologischen Abteilung, Prof. Dr. Sabine Eggers, und der Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte, DDr. Martin Krenn.
 
„Es ist eine besondere Freude, diese Ausstellung, die mir persönlich und wissenschaftlich sehr am Herzen liegt, nun eröffnet zu sehen! Sie zeigt die lange zurückreichenden Beziehungen zwischen Brasilien und Österreich, die historische und aktuelle Verbundenheit, aber auch die vielfältigen Naturräume Brasiliens und die wissenschaftlichen Ansätze zur Erhaltung und Schutz der Biodiversität. Ich freue mich, dass der Eröffnungsabend so gelungen und feierlich war“, betont NHM Wien-Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland.
 
Auch die Kooperationspartner – die Österreichischen Bundesgärten und das Porzellanmuseum im Augarten – feierten die Eröffnung mit. Das Porzellanmuseum Augarten – vertreten durch die wissenschaftliche Direktorin Dr. Claudia Lehner-Jobst – stellte eine wertvolle Leihgabe für die Ausstellung bereit und die Österreichischen Bundesgärten, am Abend vertreten durch Ing. Daniel Rohrauer, Institutsleiter Botanische Sammlungen, steuerten die üppige Pflanzendekoration des Abends mit Blumenraritäten und brasilianischen Grünpflanzen bei. Auch im Rahmenprogramm zur BRASILIEN-Sonderausstellung sind sowohl die Österreichischen Bundesgärten mit Führungen durch ihre Schau „Naturwunder einer Neuen Welt: Brasilien in Schönbrunn“, wie auch das Porzellanmuseum im Augarten mit Führungen durch „LEOPOLDINA. Furchtlos nach Rio“ vertreten.

Neben Prof. Dr. Bernd Lötsch, ehemaliger Generaldirektor des NHM Wien, feierten auch die Kuratoriums-Mitglieder Monika Gabriel, MMag. Bernhard Mazegger, DI Harald Pflanzl, a.o. Univ.-Prof. Mag Dr. Katrin Schäfer sowie Dr. Andreas Hantschk den Beginn der Ausstellung. Auch weitere Gäste aus Politik und Gesellschaft genossen den Abend im Museum, wie etwa Mag. Martin Pammer, Botschafter im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Univ. Prof. Dr. Walter Hödl, Architekt Rudolf Lamprecht sowie Dr. Eva Walderdorff und Mag. Andrea Fürnweger vom Cercle Diplomatique.
 
Die Ausstellung „BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten“ ist bis 23. April 2023 zu sehen und wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Symposien, Workshops, Führungen und interaktivem Programm auf Deck 50 begleitet, wie auch mit einem Blog mit thematisch vertiefenden Text- und Videobeiträgen.
 
 
Bilderlink der Eröffnung am 7. Juni 2022:
https://www.apa-fotoservice.at/galerie/29430
 
„BRASILIEN“ auf der Museumswebsite, inklusive Rahmenprogramm und Blog zur Ausstellung:
https://www.nhm-wien.ac.at/brasilien


(Fotocredits: Bild 1 - (c) NHM Wien/APA-Fotoservice/Tanzer, Bild 2-8: (c) NHM Wien, C. Rittmannsperger)

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25. Mai 2022

Eine Ausstellung entsteht

Ab 8. Juni 2022 ist die neue Sonderausstellung im NHM Wien zu sehen:
BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten

Die Aufbauarbeiten sind in vollem Gange: Die Teams aus Wissenschaft, Ausstellungsmanagement, Technik und Präparation arbeiten auf Hochtouren an der Fertigstellung der Ausstellung. Die Räume der vier Kabinette und Säle 17 und 18 wachsen und werden immer vielfältiger und bunter!

Worum geht's in der Ausstellung?

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die faszinierende Vielfalt Brasiliens aus der Perspektive der
jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte von Brasilien und Österreich mit ihren globalen Wechselwirkungen. Sie lässt sich in vielen Bereichen verfolgen – auf der politischen Ebene der großen Handelsabkommen genauso wie bei wissenschaftlichen und kulturellen Kooperationen. Und nicht zuletzt auf der privaten Ebene – bei unserem persönlichen Konsumverhalten.

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Die intensiven Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien reichen in die Zeit der Habsburger-Monarchie zurück: Die Vermählung von Erzherzogin Maria Leopoldine von Österreich, der vierten Tochter von Kaiser Franz I. und seiner zweiten Frau Maria Theresia von Neapel-Sizilien, mit dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro im Jahr 1817 hatte nicht nur politische, sondern auch weitreichende wissenschaftliche Folgen. Die Ausstellung vermittelt einen Eindruck von der großangelegten Expedition, die anlässlich der Hochzeit unter der obersten Leitung des österreichischen Staatskanzlers Metternich initiiert wurde. Ein Stab von angesehenen Wissenschaftlern sammelte und dokumentierte vier Jahre lang unter enormen Strapazen die exotische Fauna und Flora, aber auch Mineralien und ethnologische Kostbarkeiten. Der Präparator Johann Natterer blieb sogar 18 Jahre lang in den Regenwäldern Südamerikas und sandte zigtausende Objekte und Präparate nach Wien. Eine kleine Auswahl aus seinen Sammlungen, heute im NHM Wien und im Weltmuseum aufbewahrt, wird in der Ausstellung ebenso gezeigt wie einige der unzähligen Herbarbögen, die dem Botaniker Johann Pohl zu verdanken sind.

Aber auch die problematische Seite der Brasilien-Beziehungen wird aufgezeigt – einige der vielen Facetten wie Sklavenhandel und Kolonialismus haben massive Auswirkungen bis in die Gegenwart. Dazu zählen rücksichtsloses, oft brutales Verhalten gegenüber der indigenen Bevölkerung ebenso wie die radikale Ausbeutung der begehrten Natur- und Bodenschätze, zu der unser eigenes Konsumverhalten wesentlich beiträgt. Im Kontrast dazu werden die Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaft, aber auch der indigenen Wissens- und Erfahrungsschätze, die sich in globalem Interesse um Lösungsansätze bemühen, beispielhaft aufgezeigt.

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Der größte Teil der Ausstellung ist den einzigartigen Naturräumen Brasiliens gewidmet – dem immergrünen Regenwald Amazoniens, dem tausende Kilometer langen küstennahen Bereich des Atlantiks, der dichten Wildnis des Atlantischen Waldes, der bleichen Vegetation des „Weißen Waldes“ in der Caatinga, den tropischen Sumpfgebieten des Pantanals, den hochspezialisierten Gräsern der Pampa und den verschlossenen Savannen des Cerrado. Die gigantische Vielfalt und zumindest Reste der ursprünglichen Lebensräume und Lebensweisen zu erhalten, ist eine ungeheure Herausforderung. Wissenschaftler*innen aus Österreich und dem NHM Wien sind gemeinsam mit Partner*innen aus Brasilien in vielfältiger Weise an Forschungs- und Renaturierungs-Projekten beteiligt. Diese Projekte auf gemeinschaftlicher internationaler Basis werden laufend intensiviert und immer stärker global ausgerichtet – ein positiver Ausblick in die Zukunft nach 200 Jahren wechselvoller gemeinsamer Geschichte!

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Fotos: © NHM Wien, Christina Rittmannsperger