Otto Wettstein-Westersheimb, dessen zoologisches Interesse ursprünglich den Säugetieren und den Vögeln gegolten hatte, bewarb
sich nach seiner Promotion 1915 an der Herpetologischen Sammlung um einen Posten, da nur dort Aussicht auf eine Anstellung
am Museum bestand. Wettstein war Schüler der Zoologen Karl Grobben (1854-1945), Franz Werner (1867-1939) und des Paläontologen
Othenio Abel (1875-1946). Wie damals üblich, bat Wettstein, in der Herpetologischen Sammlung ohne Bezahlung arbeiten zu dürfen.
Als erste Aufgabe inventarisierte er die Sammlung Egid Schreibers (1836-1913). Aufgrund hochgradiger, durch beidseitige Mittelohrentzündungen
in der frühen Jugend bedingter Schwerhörigkeit, wurde Wettstein für wehruntauglich erklärt und beim damaligen Hilfsdienst
eingesetzt. Unter anderem arbeitete er in der "Fischereikompanie" in Split (Kroatien), mit dem Auftrag, neue Fischereimethoden
für die Verpflegung der Soldaten auszuarbeiten.
Wettstein übernahm als Nachfolger Siebenrocks die Sammlung in chaotischem Zustand (Bauer 1963), reorganisierte sie innerhalb
von 5 Jahren und baute sie zu einer der größten Amphibien- und Reptiliensammlungen aus (Niethammer 1967). Zu Beginn des 2.
Weltkrieges musste die gesamte Alkoholsammlung, die damals bereits zehntausende Gläser umfasste, in Luftschutzkellern gelagert
werden; 1944 waren die Kulturgüter auch in Bergwerken untergebracht. Der Transport des Materials gestaltete sich besonders
schwierig, da die meisten Männer Kriegsdienst ableisteten. Trotz der Kämpfe in Wien - auch unmittelbar um das Museum - blieb
das Haus von großen Kriegsschäden verschont. Wettstein übernahm in dieser Zeit die Agenda eingerückter Kollegen, und es gelang
ihm auch, die Annalenbände 51-54 (1941-1944) herauszugeben.
1942 nahm Wettstein an der Kreta-Expedition eines biologischen Forschungstrupps der Deutschen Wehrmacht teil. In Zusammenarbeit
mit dem Botaniker K. H. Rechinger (1906-1999) und dem Zoologen Franz Werner stellte Wettstein eine Spezialsammlung südosteuropäischer
Wirbeltiere zusammen und veröffentlichte grundlegende Arbeiten auf diesem Gebiet: "Die Vogelwelt der Ägäis" 1938, "Die Säugerwelt
der Ägäis" 1941, "Herpetologia aegaea" 1953a. Seine "Herpetologia aegaea", das Ergebnis von Forschungsreisen in Griechenland
in den Jahren 1934, 1935, 1942 und 1954, ist eine seiner wichtigsten tiergeographisch-herpetologischen Arbeiten. Wettstein
publizierte insgesamt 205 wissenschaftliche Arbeiten (Schimitschek 1967), davon 60 mit herpetologischem Inhalt. Alleine seine
Mitgliedschaft bei wissenschaftlichen Vereinigungen zeigt, wie ungemein vielseitig dieser Gelehrte war: Korrespondierendes
Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der Academy of Zoology Agra (Indien), Ehrenmitglied
der Bayerischen Ornithologischen Gesellschaft, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde.
Neben seiner internationalen wissenschaftlichen Reputation war Otto Wettstein ein Mensch, der aufgrund seiner Eigenschaften
allseits hoch geschätzt wurde. In Zeiten großer Geldnot im Museum (1932) scheute sich Wettstein nicht, mit Interviews in Zeitungen
die Öffentlichkeit auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Spenden, Benefizkonzerte und Honorare für Zeitungsartikel ermöglichten
wichtige Ankäufe. So wurde durch eine Sammlung in Schulen der Ankauf und die Aufstellung eines Komodowarans in der Schausammlung
des Museums möglich.
Nach dem Krieg wurde Wettstein der Zutritt zu seinem alten Arbeitsplatz verwehrt, und die Alkoholpräparate der Herpetologischen
Sammlung, damals bereits rund 100.000 Exemplare, verblieben in den auswärtigen Depots, während der Rücktransport anderer musealer
Objekte bereits erfolgte und 1947 abgeschlossen war. Wettstein wurde nach dem 2. Weltkrieg pensioniert und war von 1948 bis
1958 auf dem Gebiet des Forstschutzes in der forstlichen Bundesversuchsanstalt in Mariabrunn tätig. In dieser Zeit schrieb
Wettstein aber neben seiner intensiven Beschäftigung mit Forstinsekten und deren Parasiten unter anderem die "Herpetologia
aegaea" (1953) und bearbeitete die Crocodylia für das Handbuch der Zoologie (1953b). Otto Wettstein, Kustos im Ruhestand und
Professor an der Universität Wien starb am 10. Juli 1967.